Die neun Gebote des Mittelstandes

Trier · Neun Punkte auf 14 Seiten. So haben die zur Initiative für den Mittelstand zusammengeschlossenen Industrie- und Handelskammern (IHK) Koblenz, Mainz, Ludwigshafen und Trier ihre Forderungen an die rheinland-pfälzische Politik zusammengefasst. Wir listen die wichtigsten Forderungen auf.

Trier. Die Forderungen seien nicht parteipolitisch gefärbt, betont Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der Trierer IHK. Sie richteten sich allgemein an die Politik und Entscheidungsträger im Land. Alle würden sich, zumindest verbal, zum Mittelstand bekennen, beklagt Glo ckauer. Doch zwischen dem Gesagten und dem, was getan werde, bestünden gravierende Unterschiede. Glockauer spricht von "unternehmensfreundlichen Lippenbekenntnissen und den Mittelstand belastenden gesetzlichen Regelungen".

Was verlangt die Wirtschaft im Land von der Politik? Der TV stellt einige der Forderungen der politischen Realität gegenüber.
Runter mit den Steuern:
Laut den IHK haben von den über 2300 Gemeinden im Land über die Hälfte die Hebesätze für Gewerbesteuer und Grundsteuer im vergangenen Jahr angehoben. Schuld daran seien die Vorgaben des Landes für den kommunalen Finanzausgleich, wonach Zuweisungen von Mindesthebesätzen für kommunale Steuer abhängen würden. Eine Erhebung der Kammern zeigt, dass die Gewerbesteuergesetze in der Region mit zu den höchsten im Land gehören mit Hebesätzen von deutlich über 370 Prozent.
Die Kommunen verweisen jedoch auf die anhaltenden Defizite ihrer Haushalte. Das einzige Instrument, das die Städte und Gemeinden hätten, um ihre Einnahmen zu erhöhen, seien die Realsteuern, also die Grund- und die Gewerbesteuer. Beim Land verweist man darauf, dass die Kommunen selbst die Hebesätze festlegten. Laut Landesrechnungshof haben die rheinland-pfälzischen Kommunen trotz der Erhöhungen der beiden Steuern die zweitniedrigsten Hebesätze in ganz Deutschland. Dadurch ließen sie sich rechnerisch 100 Millionen Euro jährlich durch die Lappen gehen.
Kein Transparenzgesetz:
Die IHK sehen keine Notwendigkeit für das geplante Transparenzgesetz. Das seit 2008 bestehende Informationsfreiheitsgesetz des Landes regle ausreichend die Auskunftspflichten von Behörden. Es entstehe ein Datenfriedhof, befürchten die Kammern.
Das sagt die Ministerpräsidentin Malu Dreyer: "Mit einem Transparenzgesetz werden die Bürger künftig jederzeit Zugriff auf Informationen und Daten der Verwaltung erhalten." Dadurch verbessere die Landesregierung die Möglichkeiten zum Mitreden und Mitgestalten. Veröffentlicht werden sollen Kabinettsbeschlüsse, Sitzungsprotokolle, Verträge und Gutachten. Der Unterschied zum Informationsfreiheitsgesetz liegt darin, dass die Bürger nicht mehr erst bei Behörden nachfragen müssen, um bestimmte Informationen zu erhalten, sondern die Verwaltungen müssen diese Informationen von sich aus öffentlich machen, unabhängig davon, ob ein Interesse daran besteht oder nicht. Die Organisation Transparency International begrüßt die Gesetzesinitiative des Landes, kritisiert aber unter anderem, dass insbesondere die Industrie- und Handelskammern nach dem geltenden Informationsfreiheitsgesetz und nach dem neuen Transparenzgesetz auf Anfragen keine Auskunft geben müssten.
Keine Bettensteuer:
Bislang dürfen nach dem rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetz nur staatlich anerkannte Kurstädte, Fremdenverkehrsgemeinden und Erholungsorte einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Das Land plant eine Änderung des entsprechenden Paragrafen des Kommunalabgabengesetzes. Danach sollen alle Gemeinden die Möglichkeit erhalten, eine solche Bettensteuer zu erheben, um etwa die Tourismuswerbung zu finanzieren. Die Kammern sehen darin eine zusätzliche finanzielle und bürokratische Belastung der Unternehmen. Wer in den Orten von Tourismus profitiert, soll freiwillig eine solche Abgabe bezahlen.
Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) hatte vor drei Jahren auch auf diese Freiwilligkeit gesetzt. Im vergangenen Juni bestätigte das rheinland-pfälzische Innenministerium, dass es an einem Gesetz arbeite, nach dem künftig alle Kommunen, die Fremdenverkehr anbieten, eine entsprechende Abgabe erheben können. 2012 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Erhebung einer sogenannten Bettensteuer von Übernachtungsgästen in Trier und in Bingen untersagt. Trier verlangte einen Euro pro Gast und Nacht, die die Hotels, Pensionen und Campingplätze an die Stadt abführen mussten. Das Gericht entschied, dass eine solche Abgabe nur für private, nicht aber für beruflich bedingte Übernachtungen erhoben werden darf. Daraufhin wurde die Bettensteuer in Trier ganz gekippt.
Runter mit dem Wassercent:
Rheinland-Pfalz verlangt seit 2013 von allen Unternehmen, die Wasser entnehmen, einen sogenannten Wassercent. Im ersten Jahr waren dadurch Einnahmen von 20 Millionen Euro im Landeshaushalt veranschlagt. Tatsächlich wurden aber 26 Millionen Euro eingenommen, wie Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) im vergangenen Jahr mitteilte. Die Kammern fordern daher, die Abgabe zu senken, um die betroffenen Unternehmen zu entlasten.
Das Wasserentnahmegeld, wie der Wassercent offiziell heißt, gliedert sich in unterschiedliche Stufen: Sechs Cent pro Kubikmeter sind fällig für Entnahmen aus dem Grundwasser, 2,4 Cent je Kubikmeter für Entnahmen aus oberirdischen Gewässern, 0,9 Cent pro Kubikmeter für Wasser, das als Kühlwasser oder etwa zum Waschen von Kies genutzt wird, und 0,5 Cent für Wasser, das zur Kühlung von Kraft-Wärme-Anlagen verwendet wird. Die Einnahmen sind zweckgebunden, sie müssen zur Verbesserung der Wasserqualität eingesetzt werden. So sind laut Umweltministerin 16 Millionen Euro in das kreisübergreifende Wasserversorgungs-Projekt Westeifel (der TV berichtete) geflossen.
81 000 Euro gingen 2013 an die Verbandsgemeinde Kell am See (Trier-Saarburg), insgesamt 450 750 Euro nach Kröv-Bausendorf (Bernkastel-Wittlich), 227 250 Euro an die Südeifelwerke Irrel (Bitburg-Prüm), 660 000 Euro an die Verbandsgemeinde Hermeskeil (Trier-Saarburg), 250 000 Euro an die Wasserversorgung im Eifelkreis Bitburg-Prüm, 250 000 Euro an die Verbandsgemeinde Daun, 331 000 Euro an die Verbandsgemeinde Kelberg (Vulkaneifelkreis) und 190 375 Euro an die Verbandsgemeinde Ruwer (Trier-Saarburg).Extra

Die weiteren Forderungen der Kammern in Kürze: Errichtung sogenannter Welcom Center durch die Landesregierung für die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland. Einrichtung sogenannter Business Improvement Districts (BID) in Innenstadtbereichen. In diesen Zonen sollen örtliche Einzelhändler und Immobilienbesitzer durch eine Abgabe finanziell unterstützt werden, um Leerstand und die Ansiedlung von größeren Filialunternehmen zu verhindern. Abschaffung des Landestariftreuegesetzes, durch das Auftragnehmer von öffentlich vergebenen Aufträgen verpflichtet werden, ihren Beschäftigten mindestens den für die jeweilige Branche geltenden Tariflohn zu zahlen. Aufstockung des Etats für Landesstraßen von derzeit 79 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro ab 2016. Tagespflege für Kinder soll auch in Kindertagesstätten möglich sein, um die Betreuungszeiten über die von den Kitas angebotenen hinaus erweitern zu können. wie

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