Die Politik muss ihre Absichten erklären

In der Diskussion über gerechte Milchpreise fordert der Milch-Industrie-Verband (Miv) Unterstützung von der Politik. In dem Verband sind die deutschen Molkereien zusammengeschlossen. Vorsitzender des Miv ist der Chef der Hochwald-Molkerei in Thalfang, Karl-Heinz Engel.

Thalfang. Der Chef der drittgrößten deutschen Molkerei, der Hochwald aus Thalfang, Karl-Heinz Engel, ist derzeit ein gefragter Mann. In der "Milchkrise" muss Engel nicht nur die Geschicke der Hochwald lenken, als Vorsitzender des Industrie-Verbandes steht er an einer zweiten Front. Der Verband repräsentiert mehr als 100 mittelständische Unternehmen. Diese stellen mit einem Jahresumsatz von rund 22 Milliarden Euro den größten Bereich der deutschen Ernährungsindustrie dar. Mit dem Miv-Vorsitzenden Karl-Heinz Engel sprach unser Redakteur Heribert Waschbüsch. Der Miv richtet sich mit einem offenen Brief an Bundesminister Seehofer. Ist das der richtige Weg? Sollte sich die Politik nicht vielmehr aus der Preisgestaltung raushalten?Engel: Wir fordern nicht die Preisgestaltung durch die Politik sondern eine politische Flankierung, die einen marktgerechten Milchpreis für die Milcherzeuger absichert. Wenn die Politik der Auffassung ist, dass ein Milchpreis von 40 Cent für die Landwirte zu erwirtschaften ist, dann müssen durch politische Rahmenbedingungen die Grundlagen dafür geschaffen werden. Nicht zuletzt war es die europäische Agrarpolitik, die die derzeit spürbaren Schwankungen auf den Märkten durch ihren Rückzug aus der Marktverantwortung ausgelöst hat. Die Intervention, die eine Preisuntergrenze des Milchpreises abgesichert hat, ist weggefallen. Alle Exporterstattungen zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Preisniveaus auf dem niedrigeren Weltmarkt sind auf Null zurückgeführt. Die Erhöhungen der Milchquoten in Vorbereitung auf den Ausstieg aus der Mengenregulierung bringen Mengendruck und führen dazu, dass die marktwirtschaftlichen Mechanismen von Angebot und Nachfrage greifen. Insoweit muss die Politik nunmehr die Frage klären, ob dieser Weg auch vor dem Hintergrund der zu niedrigen Erzeugerpreise bei gleichzeitig drastischen Kostensteigerungen für die Milcherzeuger konsequent durchgehalten werden soll.Der Bund der Deutschen Milchviehhalter (BDM) möchte Angebot und Nachfrage nach Milch "steuern". Ist das möglich und sinnvoll?Engel: Angebotssteuerung ist durch eine Regulierung des Milchaufkommens denkbar. Allerdings müssten hierfür alle europäischen Bauern ihre Zustimmung geben. Deutschland ist keine Insel. Insoweit ist die Frage der Mengenregulierung primär eine europäische Erzeugerfrage. Eine Nachfragesteuerung ist in einem offenen Europa und auf liberalisierten Weltmärkten bei demokratischer Wahlfreiheit von Verbrauchern nicht vorstellbar. Derart planwirtschaftliche Ansätze sind auf breiter Front von der Politik bereits strikt abgelehnt worden. Man hat durch den Beschluss zum Auslaufen der Quotenregelung im Jahr 2015 den marktwirtschaftlichen Weg vorgegeben.Wie viel kommt bei der Erhöhung von zehn Cent für den Liter Milch durch den Handel überhaupt bei den Milchlieferanten an?Engel: Grundsätzlich werden - wie in der Vergangenheit auch - sämtliche Mehrerlöse, die die Molkerei erwirtschaftet, vollständig an die Milcherzeuger weitergegeben. Deutlicher Beweis dafür sind die Preiserhöhungen und damit dann auch die Verbesserung der Auszahlungspreise für die Milchbauern aus dem vergangenen Herbst. Das wird auch für die Zukunft weiter Gültigkeit haben. Nachdem die zugesagten Butterpreiserhöhungen bereits kurz nach ihrer Ankündigung wieder zurückgenommen worden sind, ist festzuhalten, dass derzeit über sieben bis zehn Cent mehr für das Marktsegment Trinkmilch beim Lebensmittelhandel gesprochen wird. Vom gesamten deutschen Milchaufkommen in Höhe von rund 28 Milliarden Kilogramm werden ungefähr 13 Prozent für Trinkmilch verwendet. Insoweit wird dann bezogen auf die Gesamtanlieferung der Milchbauern die zusätzliche Einnahme aus den erhöhten Trinkmilchpreisen auf die Gesamtmenge anzurechnen sein. Deshalb fordert die Milchindustrie in der Hoffnung auf Akzeptanz beim Verbraucher und beim Lebensmitteleinzelhandel, dass alle Milchprodukte in den Genuss von Preisverbesserungen kommen. Besonders sind auch Preiserhöhungen für Kondensmilch, Speisequark, Joghurt sowie Milchpulver und Käse erforderlich. Extra Kämpferischer BDM: Vor gut rund einer Woche hat Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer noch von der Lösung des Milchkampfes gesprochen. Doch nachdem der Handel teilweise die angekündigten Erhöhungen zurückgenommen hat, macht das Schlagwort vom "Pyrhuss-Sieg der Bauern" die Runde. Der Landesvorsitzende des Bundes der Deutschen Milchviehhalter, Oliver Grommes, gibt sich indes kämpferisch. "Die Aktionen haben vor allem gezeigt, dass es eine große Solidarität unter den Bauern gibt und dass wir gemeinsam etwas erreichen können." Dass der Milchpreis stabil bei etwa 34 Cent, liege sei ein Teilerfolg. "Unser Ziel ist aber ein Milchpreis von 43 Cent", sagte Grommes . Der BDM sei dafür jederzeit bereit, neue Aktionen zu starten. (hw)

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