Die schwierige Suche nach der Wahrheit

Trier · Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Tod einer Studentin in Trier endet nach über zwei Jahren ein spektakuläres Ermittlungsverfahren mit überraschenden Wendungen.

Trier. Zunächst hat es so ausgesehen, als hätte sich die 20-jährige Studentin Fiona H. im Juni 2009 selbst getötet. Einen Hinweis auf Fremdverschulden gab es nicht. Zwar machten bereits kurz nach Bekanntwerden des Todes der erst kurz zuvor nach ihrem Abitur aus dem nordrhein-westfälischen Brakelsiek nach Trier gekommenen jungen Frau Gerüchte die Runde, sie sei Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Doch den Ermittlern fehlten dafür Beweise. Zunächst.
Acht Monate später, im Februar vergangenen Jahres, kam die überraschende Wende. Die Polizei nahm den damals 29-jährigen Exfreund der Biologie-Studentin, Domenik V., fest. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Totschlag durch Unterlassen vor. Der aus dem nordrhein-westfälischen Höxter stammende Mann soll der jungen Frau nicht geholfen haben, nachdem sie über 20 Milliliter des Lösungsmittels Gamma-Butyrolactan (GBL) geschluckt hatte. Bereits sieben Milliliter davon gelten als tödlich. Als Partydroge Liquid Ecstasy ist das Mittel vor allem in der Technoszene bekannt.
Täter psychisch krank


Der Mann kam in Untersuchungshaft, im Juli vergangenen Jahres begann der Prozess gegen ihn vor dem Trierer Landgericht. Ein spektakulärer Prozess. Denn der Staatsanwaltschaft musste es gelingen, den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung und dem damit zusammenhängenden Tod der Studentin nachzuweisen. Weil sich die Ankläger dabei nur auf Indizien stützen konnten und es außer dem Angeklagten keine Zeugen gab, gestaltete sich der Prozess zunächst schwierig. Die Anklage stützte sich größtenteils auf kriminaltechnische Ermittlungsergebnisse. Selbst für den ermittelnden Staatsanwalt Eric Samel war bis zum Schluss offen, wie das Verfahren ausgehen könnte.
Es ging nicht darum, ob V. seine Exfreundin umgebracht hat, indem er ihr das GBL gewaltsam eingeflößt hat - obwohl der Vater der Studentin bis zuletzt davon überzeugt war. Das Gericht musste nachweisen, ob der zehn Jahre ältere Mann den Tod der 20-Jährigen hätte verhindern können. Die Beweissuche war langwierig und mühsam. Denn V. schwieg während des gesamten bis Februar dieses Jahres dauernden Prozesses. Zeugen wie etwa die Schwester von Fiona H. schilderten den Angeklagten als jähzornig, krankhaft eifersüchtig und brutal. Er soll sie sogar mit einem selbst gedrehten Sex-Video erpresst haben.
Rettung trotz Überdosis möglich


Fiona habe Angst, ja Panik vor dem aus dem Nachbarort stammenden Mann gehabt, schilderte ihre Schwester vor Gericht. Trotzdem sei sie nicht von ihm losgekommen. Er habe sie im Griff gehabt, sie habe nur getan, was er von ihr gewollt habe, sagte der Vater der toten Studentin unter Tränen vor Gericht. Doch offenbar sah Fiona H. in dem Mann die Liebe ihres Lebens. Daher sah es zunächst so aus, als hätte sie, nachdem Domenik sie verlassen hatte und sie kurz vor ihrem Tod mehrere Tage in Trier besucht hatte, tatsächlich selbst umgebracht. Aus Verzweiflung. Nach seiner Verhaftung hatte der Mann der Polizei gesagt, Fiona H. habe Selbstmordgedanken gehabt. Angeblich wollte sie sich an jenem Juni-Abend sogar aus dem Fenster stürzen.
Doch für die Selbstmord-These fanden sich keine Beweise. Auch der Bundesgerichtshof sah in seiner gestrigen Entscheidung keine Hinweise dafür. V. hatte das GBL selbst mitgebracht. Er stellte eine 500-Milliliter-Flasche auf den Tisch im Zimmer der jungen Frau. Warum, ist noch immer unklar
Seit Jahren konsumierte der als psychisch krank geltende Mann, der den Selbstmord seiner wie er selbst adoptierten Schwester nicht verarbeiten konnte, das hochgefährliche Lösungsmittel als Drogenersatz. Auch nach dem Urteil des Trierer Landgerichts blieb unklar, ob Fiona das Mittel freiwillig geschluckt oder ob er sie gezwungen hatte.
Fest steht aber: Die junge Frau hätte gerettet werden können, nachdem sie das GBL geschluckt hatte. Bis zu einer halben Stunde danach hätte, so der medizinische Gutachter im Prozess vor dem Trierer Landgericht, die Chance bestanden. Zwar hat V. seine Exfreundin dazu gebracht, sich zu übergeben. Doch konnte das nicht verhindern, dass sie, wie es Staatsanwalt Samel formuliert hatte, "langsam vor sich hinstarb". Zwei Stunden hat es gedauert, bis ihr Tod eingetreten ist. Zwei Stunden, in denen ihr Exfreund bei ihr war und nichts unternahm, bevor er schließlich floh. Zwar hat er, wie ein Computer-Spezialist herausgefunden hat, während des Todeskampfes der Studentin im Internet nach den Begriffen GBL und Überdosis gesucht, auch nach Symptomen wie roten Augen und flacher Atem hat er gesucht.

Er habe die Gefährlichkeit der Lage erkannt, heißt es in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Trotzdem hat er keinen Notarzt alarmiert. Nachdem V. panikartig die Wohnung verlassen hatte, fand die Mitbewohnerin Fiona in ihrem Bett. Doch der herbeigerufene Notarzt konnte nicht mehr helfen.

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