Die Vision von einer Großregion, die sich einig ist

Trier · Seit 1986 besteht der Interregionale Parlamentarierrat (IPR). Doch die Arbeit des Gremiums wird von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Womöglich liegt es auch daran, dass der Rat keine Entscheidungsbefugnis hat.

 Haben den Traum einer politisch starken Großregion: Ministerpräsident Kurt Beck und Jean-Claude Juncker, Premierminister von Luxemburg. Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Haben den Traum einer politisch starken Großregion: Ministerpräsident Kurt Beck und Jean-Claude Juncker, Premierminister von Luxemburg. Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier. Als Jean-Pierre Masseret im Dezember bei der Sitzung des Interregionalen Parlamentarierrats (IPR) in Metz der Kragen geplatzt ist, hat er in seiner Wut das gesagt, was vermutlich auch andere über das Gremium denken. Es sei ein "Basar", und seit Bestehen des IPR 1986 habe er noch keine Resultate gesehen, polterte der Präsident des lothringischen Regionalrates und Vorsitzender des IPR. Was ihn derart in Rage gebracht hat, war die Resolution zur Abschaltung des Kernkraftwerks Cattenom. Die Parlamentarier aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland, der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und Luxemburg waren sich einig, dass die Anlage stillgelegt werden soll. Erwartungsgemäß stimmten die Lothringer schließlich gegen die Resolution, aber auch der belgische Abgeordnete aus Wallonien stimmte mit Nein.
Das Thema Cattenom steht symbolisch für die politische Zusammenarbeit der Großregion. Vor allem das "sich nicht immer einige" Lothringen und das auch "nicht einfache" Wallonien machten die Zusammenarbeit schwierig, sagt Clemens Nagel, in der Mainzer Staatskanzlei zuständig für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Im Gegensatz zur Region Oberrhein, die von der Pfalz über Baden und das Elsass bis zur Schweiz reicht, sei die politische Kooperation in der Großregion "wesentlich komplizierter". Grund dafür seien die unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen mit Bundesländern (Rheinland-Pfalz und Saarland), Regionen (Lothringen, Wallonien, Deutschsprachige Gemeinschaft) und einem Staat (Luxemburg).
Darin sieht auch der Trierer Politikwissenschaftler Wolfgang Lorig das Hauptproblem: "Der insgesamt ausgeprägte politische Wille zu einer weiterhin intensivierten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit findet - nach wie vor - seine Begrenzungen in den unterschiedlichen Staats- und Regierungsformen, Verwaltungsstrukturen und -kulturen sowie voneinander abweichenden Rechts-, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialversicherungssystemen."
Der Konzer CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Henter hält genau wie die Thalfanger SPD-Abgeordnete Bettina Brück den IPR für ein wichtiges Gremium zur Diskussion und Meinungsbildung. Beide verweisen auf erfolgreiche Initiativen des Rates wie Ausbau der Moselschleusen, die Zusammenarbeit der Hochschulen oder die grenzüberschreitende Polizeiarbeit. Der IPR sei ein nützliches und erforderliches Instrument, sagt Henter, der aber auch einräumt, dass die Zusammenarbeit noch intensiviert werden müsse.
"Man ist nicht einfach eine Großregion, indem man sich als Großregion definiert", sagt Nagel. Was fehle, sei ein ständiges Entscheidungsgremium, eine Art Regierung für die Großregion. Jährliche Gipfeltreffen, zu denen die Ministerpräsidenten sowie der luxemburgische Regierungschef und Regionalpräsidenten zusammenkommen, seien zu wenig, sagt Nagel. Es müsse ähnlich wie in der Region Oberrhein ein Präsidium geben, in das die einzelnen Landes- und Regionalregierungen Vertreter mit Entscheidungskompetenz entsenden müssten, so Nagel.
Trotzdem betrachtet er die Zukunft der Großregion optimistisch. Es sei "ein steiniger Weg der kleinen Schritte, aber das Ziel ist vor Augen." Immerhin schießt das Land jährlich 18 500 Euro in das gemeinsam mit Luxemburg betriebene Haus der Großregion in Luxemburg. Seit 1999 gibt es diese Verbindungs- und Kontaktstelle für die interregionalen Einrichtungen. Aber genau wie der IPR wird auch das zu einem Büro geschrumpfte Haus kaum wahrgenommen.Extra

Vor fünf Jahren schien es, als könne der Schwung der Kulturhauptstadt "Luxemburg und Großregion 2007" dem lahmenden Projekt Saar-Lor-Lux-Trier-Westpfalz auf die Beine helfen. Die Großen der Region von Juncker bis Beck hatten plötzlich den Charme der kulturellen Kooperation entdeckt und propagierten die Künste als ideales Medium des Zusammenwachsens über die alten Grenzen hinweg. Der Luxemburger Innenminister Karl-Heinz Halsdorf prägte auf dem Gipfel 2008 im belgischen Namur die große Formulierung, die Kultur solle "die Großregion in die Köpfe der Menschen bringen". Als zentrale Aufgabe wurde die nachhaltige Weiterentwicklung der Kooperationsansätze der Kulturhauptstadt definiert. Passiert ist seither wenig. Die Gründung eines Trägervereins kam nur mühsam in die Gänge, die Finanzierung blieb lange unklar, bis heute fehlt die Strahlkraft. Die gemeinsame Internet-Plattform plurio.net ist ein Insider-Angebot geblieben. Theater-Kooperationen schlummerten mangels Geld wieder ein. Gute Initiativen wie die Förderung kleiner Projekte bleiben immer wieder in der Bürokratie hängen. DiL

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