Die Welt rückt immer klarer von Assad ab

Marrakesch · Rund 130 Staaten und internationale Organisationen haben die in einer Nationalen Koalition zusammengeschlossene syrische Opposition als "den legitimen Vertreter" des syrischen Volkes anerkannt. Der Beschluss rückt Syriens Machthaber Assad weiter ins Abseits.

Marrakesch. Die syrische Opposition ist seit gestern durch internationale Anerkennung deutlich gestärkt worden. Ihre diplomatische Aufwertung wurde am Mittwoch in Marrakesch beschlossen. Zuvor hatten die EU und die USA bereits einen ähnlichen Beschluss gefasst.
Auch Guido Westerwelle (FDP) nahm an dem Treffen der "Freunde Syriens" in Marokko teil. Er nannte die Nationale Koalition eine "glaubwürdige pluralistische Alternative". Russland und China, die noch zu Diktator Bashar al-Assad halten, sind damit weiter isoliert.
Die "Freunde Syriens" sind ein Zusammenschluss jener Staaten, die eine Abdankung Assads als Voraussetzung für einen Frieden in Syrien betrachten. Mit dem gestrigen Beschluss machten sie deutlich, dass sie das Ende des Regimes nahen sehen. Zugleich warnten sie den Herrscher eindringlich vor dem Gebrauch von Chemiewaffen. Dies werde eine "ernsthafte Antwort" nach sich ziehen.
Während der Konferenz wurden den Teilnehmern, darunter 60 Außenministern, bedrückende Videos von Massakern an der Zivilbevölkerung eingespielt. Den "Freunden Syriens" gehören alle großen Westmächte, die EU und die Arabische Liga als Organisationen, aber auch Regionalmächte wie Ägypten, Saudi-Arabien und die Türkei sowie Indien, Japan, Brasilien, Australien und Pakistan an.
Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton fehlte krankheitsbedingt in Marrakesch. Die Vetomächte Russland und China blockieren seit langem eine UN-Sicherheitsratsresolution gegen das Regime in Damaskus.
Bewegung in Moskau?


Der "Freundeskreis" und sein gestriger Beschluss sind auch der Versuch, trotz dieser Blockade handlungsfähig zu bleiben. Allerdings wolle man damit keine Parallelstruktur zur Uno aufbauen oder diese umgehen, hieß es. Bei Russland glauben einige der "Freunde" inzwischen zudem Bewegung ausgemacht zu haben. In Moskau werde angestrengt überlegt, ob man mit Assad noch auf das richtige Pferd setze, hieß es.
Mit der erst im November in Doha gegründeten Nationalen Koalition haben internationale Organisationen jetzt einen Partner für die Zeit nach dem Diktator gefunden. Bisher war die Opposition sehr zersplittert. In Berlin wird an der Koalition besonders geschätzt, dass die radikal-islamistischen Kräfte ihr nicht angehören; wohl aber sind alle Volks- und Religionsgemeinschaften des multiethnischen Staates dabei - insgesamt 70 Gruppierungen, darunter auch die Alawiten, aus deren Reihen der Diktator stammt.
Freie Plätze für Kurden


Ausdrücklich gewürdigt wird auch, dass die Nationale Koalition den Kurden, die bisher mit einem Beitritt noch zögern, Plätze in ihren Gremien freigehalten hat. Westerwelle nannte die Entwicklung des Oppositionsbündnisses "beeindruckend". Der Präsident der Nationalen Koalition, Moaz al-Khatib, nahm schon am EU-Außenministertreffen am Montag in Brüssel teil und machte dort eine überzeugende Figur.
Der Beschluss von Marrakesch findet vor dem Hintergrund zunehmender militärischer Erfolge der Opposition in Syrien statt. Die regimetreuen Truppen geraten immer häufiger in die Defensive, ihren Gegnern gelingt es, immer weitere Landesteile zu befreien und auch Damaskus für das Regime unsicher zu machen.
Positiv wird im Westen zudem registriert, dass die Opposition sich jetzt nicht nur politisch, sondern auch militärisch besser koordiniert. Allerdings, so die Einschätzung in Deutschland, gibt es derzeit keine Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden schnellen Kollaps des Regimes. Mit Waffenlieferungen soll die gestrige offizielle Anerkennung der Opposition nicht verbunden sein - jedenfalls noch nicht. Das von der EU verhängte Wirtschafts- und Waffenembargo wurde gerade erst für drei Monate verlängert. Im Februar wird neu diskutiert.
Notwendig ist ein seriöser syrischer Ansprechpartner nicht nur für die Zeit nach Assad, sondern auch für die Versorgung von Bürgerkriegsopfern und der rund 500 000 Flüchtlinge. Deutschland stockt seine Hilfen in diesem Jahr um 22 Millionen auf 90 Millionen Euro auf, wie Westerwelle in Marrakesch verkündete.
Hilfen für den Wiederaufbau plant bereits eine internationale Arbeitsgruppe unter deutschem Vorsitz. Einen Streit gab es im Vorfeld des Treffens um die Frage, ob die Nationale Koalition als der "einzige" legitime Vertreter des syrischen Volkes bezeichnet werden sollte. Darauf wurde schließlich verzichtet. In der Konsequenz hätte die Formulierung bedeuten können, dass man die diplomatischen Beziehungen zur jetzigen Regierung sofort hätte einstellen müssen. Das wollen die meisten Staaten nicht. Zwar hat zum Beispiel die Bundesregierung inzwischen bis auf zwei alle Assad-Diplomaten ausgewiesen, will aber einen minimalen Restkontakt halten, um humanitäre Fragen regeln zu können.

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