Die Zeit der Bauklötze ist längst vorbei

Trier · Seit die Familie als Erziehungs-Institution nur noch begrenzt taugt, hat die Gesellschaft Kindertagesstätten, -gärten und -horte als Vorschule der Nation ausgemacht. Die Kapazitäten werden dramatisch ausgebaut, aber das alleine bringt noch keine Qualität.

Trier. Manchmal kann sich Angela Thelen über die Diskussion um die Qualifikation der Kita-Mitarbeiter so richtig ärgern. Zum Beispiel, wenn sie Schlagzeilen liest wie "Nur mit Bauklötzen spielen reicht nicht". Die Zeiten, da Erzieherinnen die Zeit allein damit zubrachten, den Kindern die Zeit durch Spiele zu vertreiben, seien "schon ewig vorbei", sagt die Abteilungsleiterin für Kitas beim Trierer Diözesanverband der Caritas. Das Personal sei hochmotiviert, müsse sich laufend auf neue Aufgaben einstellen und bilde sich ständig fort - auch ohne akademische Ausbildung. Dennoch: Auch Thelen sieht Studiengänge für Kita-Personal als sinnvolle Einrichtung an, zumindest "als eine weitere Säule der Ausbildung". Aber die Qualität der Kita-Arbeit mache sich nicht an Ausbildungsstandards fest, "sondern an Haltungen".
Der wirtschaftsnahe "Aktionsrat Bildung" sieht das etwas anders. Mit seiner vor wenigen Tagen vorgelegten Forderung, die Kita-Mitarbeiter verstärkt an der Hochschule auszubilden, hat er eine seit langem schwelende Diskussion befeuert. Die Kraftanstrengung wäre gewaltig, neue Studiengänge müssten entwickelt und eingerichtet werden, am Ende wäre das höher qualifizierte Personal natürlich auch höher zu bezahlen.
Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt, zumindest, wenn es nach der Wittlicher Kita-Leiterin Erni Schaaf-Peitz geht. Die engagierte Gewerkschafterin hat noch "klassische" Erzieherin gelernt, mit Fachschul-Ausbildung und Anerkennungsjahr. Trotzdem ist aus ihrer Sicht eine Akademisierung des Berufs "unerlässlich". Das breite Anforderungsspektrum, die interdisziplinäre Teamarbeit, die zunehmenden Management-Aufgaben: Das alles lasse sich mit einem Studium in einem neu zu schaffenden Fach wie "Kindheitspädagogik" im Rücken besser bewältigen.
Zwei Wittlicher Mitarbeiterinnen von Schaaf-Peitz machen zurzeit "nebenbei" einen Studien-Abschluss - für die Kita-Leiterin ein Beweis, "dass die jungen Leute lernen wollen". Auch Familienministerin Irene Alt lobt den guten Aus- und Fortbildungsstand in den Kitas des Landes. "Wir müssen uns europaweit nicht verstecken", betont die Politikerin, die selbst gelernte Erzieherin ist. Dennoch zeigten die Erfahrungen anderer Länder, "dass ein Mehr an akademischer Ausbildung im Kita-Bereich sinnvoll sein kann". Freilich, so ahnt die Grüne, werde die Kostenfrage "ein schwieriges Thema zwischen Land und Kommunen".
In der Tat: Winfried Manns vom Städte- und Gemeindebund Rheinland-Pfalz verweist auf das gesetzlich verankerte "Konnexitätsprinzip". Danach muss zahlen, wer bestellt. Das wären in diesem Fall die Gesetzgeber von Bund und Land. Und es geht nicht um Kleckerbeträge: "Das kostet zig Millionen", sagt der frühere Konzer Bürgermeister.
Aber da sind sich der Wissenschaftler Honig, die Gewerkschafterin Schaaf-Peitz und die kirchliche Kita-Expertin Thelen einig: Die Gesellschaft müsse "halt entscheiden, was ihr gute Bildung für ihre Kinder wert ist".Extra

In der Region Trier gibt es 313 Kindertagesstätten mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Größter Träger ist die katholische Kita-GmbH mit 103 Einrichtungen. In Rheinland-Pfalz sind 75 Prozent aller Kita-Mitarbeiter ausgebildete Erzieher, zehn Prozent haben Kinderpfleger gelernt, nur drei Prozent haben derzeit eine pädagogische Hochschulausbildung. Das Land wendet pro Jahr derzeit 460 Millionen Euro für Kindertagesstätten auf, etwa die gleiche Summe dürften Kommunen und Träger aufbringen. Es stehen 170 000 Kita-Plätze zur Verfügung. DiL

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