Die Zukunft hat längst begonnen: Ein Stückchen Star Wars im Stall und auf dem Acker

Bitburg · Traktoren, die alleine wie von Geisterhand gelenkt in perfekten Bahnen übers Feld fahren. Roboter, die Kühe melken und den Landwirt warnen, wenn ein Tier krank wird. Science Fiction? Keineswegs. Unsere Redakteurin hat zwei Eifeler Bauernhöfe besucht, wo all dies längst Arbeitsalltag ist.

Welschbillig - auf dem Feld. Keine Hand ist am Lenkrad, kein Fuß auf dem Gas. Völlig selbstständig biegt der Traktor um die Kurve und fährt - exakt in der Mitte des schmalen Wirtschaftsweges bleibend - an winterlich kahlen Viezapfelbäumen und Feldern vorbei tuckernd bergauf in die fahle Vorfrühlingssonne.

Mit Hilfe eines ungewöhnlich präzisen GPS-Signals folgt der Schlepper ohne menschliches Zutun genau jener Route, die Alexander Bohr zuvor gespeichert hat. Der Monitor des Bordcomputers gibt, ähnlich wie übliche GPS-Geräte, Auskunft über Standort, Route und Umgebung. Anders als die normalen Geräte, die sich um ein paar Meter vertun können, liegt dieses Navigationssystem maximal zwei bis drei Zentimeter daneben. Denn eine hofeigene RTK(englisch: Real Time Kinematic)-Station auf dem Scheunendach empfängt und korrigiert die Signale verschiedener Satelliten.

Da könnte man den Traktor ja ganz alleine aufs Feld schicken, oder? Nein, sagt der 41-jährige Landwirt, lacht und demonstriert, dass das auch gar nicht ginge: Sobald er aufsteht, beginnt ein Warnlämpchen zu brennen und der Traktor bremst.
Dennoch ist Bohr von der digitalen Technik, die er in drei Schleppern und einem Mähdrescher nutzt, so begeistert, dass er sie sich trotz der hohen Investitionskosten von 75.000 Euro jederzeit wieder anschaffen würde. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

Erstens: wirtschaftliche. Mithilfe der Technik fahren die Maschinen nun auf optimalen Routen über die 180 Hektar Ackerland des Bohrshofs. Das spart Zeit, weil das Wenden entfällt. Es spart aber auch Geld, weil die Bahnen sich nun nahezu nicht mehr überlappen. Dadurch werden weniger Saatgut, weniger Dünger und weniger Pflanzenschutzmittel benötigt. Bohr schätzt, dass er fünf bis 15 Prozent der Kosten einspart. Nebenbei profitiert davon auch die Umwelt.

"Außerdem steigt die Arbeitsqualität", sagt der zweifache Familienvater. Denn während der Traktor alleine fährt, hat Bohr Zeit, sich auf die Feldarbeit zu konzentrieren: Er kann die Sämaschine oder den Erntevorgang kontrollieren oder standortgenau digitalisieren, wo Unkraut oder Mäuse zu bekämpfen sind.
Nicht nur die Milch-, auch die Getreidepreise sind deutlich gesunken. Daher muss der nächste Digitalisierungs-Schritt warten, "bis das nötige Kleingeld da ist", sagt Bohr. Doch weiß er genau, was er will: einen Düngerstreuer mit Stickstoffsensor (rund 40.000 Euro). In Echtzeit tastet dieser die Kulturen mit Rot und Infrarotlichtbereich ab und errechnet anhand der Bestandsdichte und der Fotosyntheseleistung der Pflanzen, wie viel Dünger diese exakt benötigen.

Bohr war einer der Ersten in der Region, der die neue Technik vor rund vier Jahren anschaffte. Das Ganze sei schon ein bisschen Pionierarbeit gewesen, "aber wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, dann behält man das bei", sagt der studierte Landwirt bei einem naturtrüben Apfelsaft, der auf seinem Hof noch ganz traditionell ohne Digitaltechnik erzeugt wird.
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!Wilsecker - im Stall. Neugierig beobachten Snow White und Lady Gaga aus ihren großen Kuhaugen wie die Herren des Zwengelshofs, Thomas Kreutz (31) und Peter Kreutz (61) mit dem Auszubildenden Stefan Meultes (17) und einer Reporterin durch den großen Stall an ihnen vorbei laufen, ehe sie bei Juno stoppen, um ihm bei der Arbeit zuzusehen. Sich um die eigene Achse drehend und dabei leise piepend schiebt der runde Roboter den Kühen Futter hin. Die Szene wirkt, als stamme sie aus einer ländlichen Version von Star Wars. Doch da der Roboter alle zwei Stunden vorbeikommt und sogar nachts Heu schiebt, wundern sich die 150 Milchkühe über ihn schon lange nicht mehr.

Vor etwa vier Jahren hat die Familie Kreutz auf ihrem 125 Hektar großen Zwengelshof in Wilsecker einen neuen Stall gebaut und diesen mit der modernsten Technik ausgestattet. Eine Großinvestition, die die Landwirte trotz der Milchpreiskrise nicht bereuen.

Während Juno weiter durch den Stall rotiert, hat sich vor einem der beiden Melkroboter eine kleine Schlange gebildet. Soeben betritt Gerda die Bühne. Die beste Kuh im Stall: Mehr als 16.000 Liter Milch gibt sie pro Jahr. Kaum hat sie das Melkgatter betreten, beginnt der Roboter namens Astronaut sein Werk. 2,07 Kilogramm Kraftfutter gibt er der schwarz-weißen Kuh zu fressen, während er ihre Zitzen mit rotierenden Bürsten reinigt und mit Laserstrahlen abtastet, um die Melkbecher punktgenau aufsetzen zu können. Und schon fließt die Milch.

Rund um die Uhr können die Kühe diesen Service nutzen, der die Bauern pro Roboter rund 100.000 Euro gekostet hat. Im Schnitt tun sie das drei Mal am Tag. "Das ist gut für die Tiere, weil das Euter nicht so voll und prall wird", sagt Thomas Kreutz. Die Maschinen-Hersteller werben zudem damit, dass Produktionssteigerungen von 10 bis 15 Prozent möglich seien.

Auf einem Monitor lässt sich der Melkfortschritt verfolgen. Nebenbei erfährt man, dass Gerda 806 Kilo wiegt. Dass das bei weitem nicht alles ist, was der Roboter weiß, zeigt sich einige Meter weiter in der "Schaltzentrale" des Stalls. Ein Panoramafenster bietet aus dem leicht erhöht liegenden Raum eine gute Sicht auf die Herde. Davor steht der Computer, in den der Roboter sämtliche Messwerte einspeist. Hier können die Landwirte nicht nur checken, wie viel Fett und Eiweiß die Milch jedes einzelnen Tieres enthält, sondern auch, wie warm sie ist und welche Konsistenz sie hat. Sensoren im Halsband erfassen auch, wie oft eine Kuh wiederkäut und wie viel sie sich bewegt. Selbst den optimalen Zeitpunkt für eine Besamung ermittelt der Computer mithilfe der gesammelten Daten.

Ist ein Wert zu hoch oder zu niedrig, wird der Bauer informiert. "Das ist ein gesundheitliches Frühwarnsystem", sagt Kreutz, aus dessen Sicht die Technik viele Vorteile fürs Tierwohl bringt.
Die Familie muss nicht einmal in den Stall gehen, um all das zu erfahren: Man kann die Daten auch per Smartphone abrufen. Das gilt auch für die Bilder einer Kamera, die die trächtigen Kühe filmt. Sollte ein Roboter mal eine Störung haben, dann klingelt das Telefon.

Aus Sicht der Familie bringt die Technik viele Vorteile - vor allem für die Tiere, aber auch für sie selbst. Sie gewinnen Flexibilität. "Man kann auch mal eine Stunde später in den Stall gehen", sagt Thomas Kreutz. "Auch körperlich ist das eine große Erleichterung", ergänzt seine Mutter Marianne (56). Sie musste sich an all die Technik zwar erst einmal gewöhnen, kommt nun aber gut damit zurecht. Wenn sie wollte, dann könnte sie nun selbst aus dem Urlaub checken, wie viel Milch Gerda gibt, ob Lady Gaga brünstig ist und welche Kuh gerade kalbt.

Extra Mobiles Agrarportal
Um die Landwirte bei der Modernisierung ihrer Arbeitsabläufe zu unterstützen, bietet ihnen Rheinland-Pfalz über das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Bad Kreuznach als erstes Bundesland eine kostenlose Nutzung der amtlichen Geodaten über eine Internet-Plattform an. Von dem Mobilen Agrarportal können Landwirte Karten mit den Lagen und Umrissen ihrer Felder, Bodenkarten oder Luftbilder abrufen. Bereitgestellt werden auch Daten zu Bodenfruchtbarkeit und zur Erosionsgefährdung von Feldern sowie zur Lage von Schutzgebieten. In Formularen können diese Infos an Maschinenringe, Lohnunternehmer oder Bodenlabore versandt werden. Zudem bietet das Portal den Betrieben Zugang zu landwirtschaftlichen Apps, elektronischen Beratungsassistenten und GPS-gesteuerten Verfahren bei Düngung, Pflanzenschutz oder Ernte. Firmen böten Landwirten einen ähnlichen Service. "Aber da fließt dann Wissen aus dem Betrieb heraus. Und Daten sind Kapital", sagt Jörg Weickel vom DLR Bad Kreuznach. Mos
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Weitere Infos finden Sie im Internet 

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