"Die Zusatzbeiträge müssen weg"

Mehrere Krankenkassen wollen heute in einer konzertierten Aktion Zusatzbeiträge für ihre Versicherten ankündigen. Die SPD plant derweil ein alternatives Reformkonzept. Das kündigte ihr gesundheitspolitischer Sprecher Karl Lauterbach im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter an.

Berlin. (vet) Karl Lauterbach rät den Versicherten dazu, ihre Kasse zu wechseln, wenn sie Zusatzbeiträge erhebt.

Herr Lauterbach, Zusatzbeiträge sind ein zentraler Bestandteil der von der SPD beschlossenen Gesundheitsreform. Trotzdem spart Ihre Partei nicht mit Kritik. Warum?

Karl Lauterbach: Die Idee der Zusatzbeiträge stammt nicht von der SPD, sondern von der Union. Wir waren immer dagegen. Aber wir mussten diese Kröte in der großen Koalition schlucken, weil sonst die gesamte Reform gescheitert wäre. Im Übrigen wurde in schwarz-roten Regierungszeiten noch im Gesundheitswesen gespart. Deshalb sind Zusatzbeiträge auch nicht angefallen.

Auch unter SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gingen die Kassenausgaben stetig nach oben. Wollen Sie das leugnen?

Lauterbach: Die Kosten sind damals aber nicht überproportional gestiegen. Das ist ja auch der Grund gewesen, warum Ulla Schmidt nicht der Liebling der Ärzte war. Beim neuen Gesundheitsminister Philipp Rösler ist das ganz anders. Seine Geschenkpolitik für Apotheker und Pharmabetriebe ist doch offensichtlich. Und zahlen müssen die Versicherten.

In welchem Maße rechnen Sie mit Zusatzbeiträgen?

Lauterbach: Im Laufe des Jahres wird es für mehr als die Hälfte aller Versicherten zu Zusatzbeiträgen kommen. Derzeit ist es doch so: Die Arzneimittelpreise steigen, die ärztlichen Verordnungen steigen, und der oberste Pharma-Aufseher wird mit Billigung des Gesundheitsministers abgesetzt. Vor diesem Hintergrund werden Zusatzbeiträge geradezu zwingend, um die ausufernden Kosten abzudecken.

Was raten Sie nun den Versicherten?

Lauterbach: Das Beste, was der Versicherte jetzt tun kann, ist ein Wechsel zu einer Kasse, die noch keinen Zusatzbeitrag erhebt.

Erwarten Sie größere Wanderungsbewegungen?

Lauterbach: Eindeutig ja. Allerdings wird für viele Versicherte nach einiger Zeit die Enttäuschung kommen, weil die Kasse, zu der man abgewandert ist, ebenfalls Zusatzbeiträge erheben muss.

Plant die SPD ein eigenes Reformkonzept?

Lauterbach: Ja. Die SPD wird in den kommenden Monaten ein eigenes Reformkonzept mit drei Kernelementen vorlegen. Erstens: Wir müssen zur jeweils hälftigen Beitragsfinanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zurückkehren. Die Arbeitgeber müssen an der Finanzierung der künftigen Lasten des Gesundheitssystems mit beteiligt werden. Denn nur so entsteht auch ein Druck zum Sparen und effektiven Wirtschaften. Zweitens: Wir wollen Zusatzbeiträge abschaffen, die einkommensunabhängig sind und Einkommensschwache so besonders belasten.

Und drittens?

Lauterbach: Wir wollen drittens ein Gesundheitssystem für alle, in das sowohl gesetzlich als auch privat Versicherte einzahlen. Denn nur so kann die real existierende Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland beseitigt werden. Sämtliche Kassen können dann wieder ihren Beitragsatz selbst bestimmen. Das würde endlich wieder für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem sorgen.

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