Die zweite Chance durch ein neues Organ

Trier · In Karin Bohns Brust klopft ein fremdes Herz. Die 52-Jährige aus Hinzenburg (Trier-Saarburg) erzählt, wie es ihr mit dem Spenderorgan geht. Sie fordert, dass alle Bürger einen Organspendeausweis haben sollen.

Trier. Sie ist 52. Doch am 18. Juni hat sie ihren ersten Geburtstag gefeiert, "groß gefeiert", wie Karin Bohn sagt. Was zunächst verrückt klingt, ergibt sich aus der Geschichte der lebensfrohen Frau aus dem Ruwerort Hinzenburg (Trier-Saarburg). Am 18. Juni vergangenen Jahres hat Karin Bohn ein neues Herz bekommen, ein Spenderherz. Mit ihrem eigenen Herz hätte sie nicht mehr lange leben können. Ein Tumor hätte es zerstört. Bei einer Operation konnte dieser nicht vollständig entfernt werden. Ein Todesurteil. Die zweifache Mutter wäre qualvoll erstickt. Nur ein neues Herz konnte sie retten. Über ein Jahr musste sie darauf warten. Das erste Spenderorgan, das ihr an Weihnachten 2009 transplantiert werden sollte, war nicht gesund. Wieder musste sie warten. Bis eben zum 18. Juni 2010. Spezialisten der Uniklinik Erlangen gelang die komplizierte Operation. Den Tag wird sie nie mehr vergessen. Rund 600 Menschen in Rheinland-Pfalz warten auf ein Spenderorgan. Im Jahr 2010 gab es 86 Spender, 28 mehr als 2009. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurden ihnen 321 Organe entnommen. Damit gehörte Rheinland-Pfalz zusammen mit dem Saarland und Hessen bundesweit zu den Spitzenreitern bei der Zahl der Spender und der entnommenen Organe. Auf eine Million Einwohner kamen 21,5 Spender. Karin Bohn hat ein Spender das Leben gerettet. "Ich bin ihm dankbar. Durch ihn habe ich eine zweite Chance bekommen", erzählt die 52-Jährige. Sie habe mitbekommen, dass einige, die mit ihr auf ein Herz gewartet haben, gestorben sind. Auch Patienten, die zur gleichen Zeit wie sie ein neues Organ bekommen hätten, seien gestorben. Das habe sie schon sehr mitgenommen. Heute geht es ihr wieder gut. Sie könne wieder fast ein ganz normales Leben führen. Sogar Motorrad ist sie wieder gefahren. "Ich habe schon alles getan, was mir Spaß macht", freut sich die Hinzenburgerin. Mittlerweile hätten alle ihre Bekannten einen Organspenderausweis. "Jeder sollte sich Gedanken machen, ob er Spender wird", wünscht sich Bohn. Die derzeitige Diskussion über die Neuregelung der Organspende verfolgt sie mit Interesse. Sie ist für die Einführung der Widerspruchslösung. Dadurch werde sich die Zahl der Spender deutlich erhöhen, glaubt Karin Bohn. Das ist auch das Argument der politische Befürworter dieser Regelung. Wie etwa der Vorsitzende der seit gestern in Frankfurt tagenden Gesundheitsministerkonferenz, Hessens Sozialminister Stefan Grüttner: "Wir müssen die stillschweigende Mehrheit aktivieren." Grüttner sieht in einer Widerspruchslösung anders wie etwa die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer (siehe Interview auf dieser Seite) "keinen Eingriff in die Grundrechte". Er verweist auf die Erfahrungen aus anderen EU-Ländern, in denen bei einer solchen Regelung mehr Organe zur Verfügung stünden. So kommen in Spanien nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation auf eine Million Einwohner 34 Spender - in Deutschland sind es nur 14,9. Auch in Luxemburg und Belgien gilt diese Regelung bereits. In Belgien können Hinterbliebene allerdings der Organentnahme noch widersprechen. In Frankreich wird jeder Verstorbene automatisch zum Organspender, falls er zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Die Angehörigen werden vor der Entnahme informiert, sie können, anders als in Belgien, aber nicht widersprechen. In Luxemburg wurde das Organtransplantationsgesetz bereits 1982 entsprechend geändert. In Artikel 6 ist geregelt, dass man sich als Luxemburger für das Leben ausspricht und damit eine Organspende erlaubt, falls man zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Damit war das Großherzogtum eines der ersten Länder in Europa, das die Widerspruchsregelung gesetzlich festgelegt hat. Im vergangenen Jahr haben dort rund 65 Menschen auf ein Spenderorgan gewartet. Drei Organspender hat es 2010 im Großherzogtum gegeben. Bis Mai diesen Jahres sind dort zwei Spender registriert worden. Luxemburg ist damit Schlusslicht im internationalen Vergleich. In Belgien haben 2010 insgesamt 263 Menschen Organe gespendet, bis Mai in diesem Jahr sind es 129 gewesen. volksfreund.de/umfrageDer Organspendeausweis wird von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) herausgegeben. Das Original ist im Bürgeramt Trier sowie in vielen Krankenhäusern, Arztpraxen und Apotheken erhältlich. Man kann ihn auch aus dem Internet auf den Seiten der BZGA herunterladen, erreichbar unter www.bzga.de sowie www.organspende-info.de. Der Ausweis ist in deutscher und türkischer Sprache erhältlich. alo

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