Missbrauchsfall Dillinger Unabhängige Kommission soll Beweismaterial einsehen dürfen – sofern es noch nicht verbrannt ist

Saarbrücken/Trier · Die von der Saarbrücker Staatsanwaltschaft angeordnete Vernichtung von Beweismaterial im Missbrauchsfall um den verstorbenen Priester schlägt weiter Wellen. Akteneinsicht wird in Aussicht gestellt – für das, was noch da ist.

Edmund Dillinger als aktiver Geistlicher, mit dem damaligen Kardinal und späteren Papst Josef Ratzinger.

Edmund Dillinger als aktiver Geistlicher, mit dem damaligen Kardinal und späteren Papst Josef Ratzinger.

Foto: Steffen Dillinger

Im Fall des unter Missbrauchsverdachts stehenden und Ende 2022 gestorbenen katholischen Priesters Edmund Dillinger soll die unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Trier Akteneinsicht bekommen. Die Generalstaatsanwaltschaft habe dem Antragsteller mitgeteilt, „dass eine Gewährung von Akteneinsicht beabsichtigt ist“, teilte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken der Deutschen Presse-Agentur mit. Dazu müssten noch „die Modalitäten der Einsichtnahme“ festgelegt werden. Eine Abstimmung darüber solle voraussichtlich im August stattfinden.

„Das ist eine gute Nachricht. Nur leider sind die Beweismittel, die wir gebraucht hätten, wohl nicht mehr da“, sagte der frühere Trierer Oberstaatsanwalt Ingo Hromada, der mit dem ehemaligen Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer in einem Projekt der Kommission den Missbrauchsfall untersucht. Man werde beantragen, die Akten an die Trierer Staatsanwaltschaft zu schicken, um sie dann dort einzusehen. „Also den verbliebenen Torso, der noch da ist“, sagte Hromada.

Verbrennung von Material im Fall Dillinger sei „ein Fehler“ gewesen

Denn den Großteil der Asservate aus dem Nachlass des früheren Priesters aus Friedrichsthal im Saarland gibt es nicht mehr. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hatte sichergestelltes Material aus dessen Haus am 5. Juli verbrennen lassen, nachdem sie keine Grundlage für Ermittlungen gegen noch lebende mögliche Mittäter gesehen hatte. Für die Vernichtung des Materials hatte sich Generalstaatsanwalt Manfred Kost entschuldigt. Es sei ein Fehler gewesen, der leider nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.

Das Material hätte zur Aufarbeitung wichtig sein können, sagte Hromada. Vor allem Jahresterminkalender, die der Priester geführt habe, und Reisepässe hätten den Aufklärern helfen können. Dillinger sei für die von ihm gegründete CV-Afrika-Hilfe oft nach Afrika geflogen. „Wann und wohin, das hätten wir dort sehen können.“ Zu dem verbrannten Material gehörten unter anderem rund 6850 Dias und 43 Jahresterminkalender in Taschenbuchformat.

Der Geistliche steht im Verdacht, ab den 1970er Jahren über Jahrzehnte vor allem Jugendliche sexuell missbraucht und in teils pornografischen Posen fotografiert zu haben. Der Neffe des Priesters, Steffen Dillinger, hatte nach dem Tod des Mannes zig ungerahmte Dia-Aufnahmen in dessen Haus gefunden – und war damit im April an die Öffentlichkeit gegangen. Viele Bilder waren auf Reisen entstanden, darunter in Afrika. Die CV-Afrika-Hilfe hatte seinem Gründer im April posthum die Mitgliedschaft und den Ehrenvorsitz im Verein entzogen.

Missbrauchsfall Dillinger: Neffe widerspricht Behauptung, der Vernichtung zugestimmt zu haben

Steffen Dillinger widersprach erneut der Behauptung der Polizei, er habe der Vernichtung von Asservaten ganz oder teilweise zugestimmt. „Da wehre ich mich ganz deutlich dagegen“, sagte er der dpa. Er habe 14 Tage vor der Vernichtung des Materials dem Sachbearbeiter mitgeteilt, dass er nicht inkriminierte (strafrechtlich relevante) Unterlagen zurückhaben wollte, um sie dem Verein der Missbrauchsopfer und Betroffenen im Bistum Trier (Missbit) zur Verfügung zu stellen.

Dillinger sagte, sein Anwalt habe auch Akteneinsicht beantragt. „Ich möchte jetzt mal sehen, was die in den Akten zu den Telefongesprächen vermerkt haben.“ Er behalte sich rechtliche Schritte vor. „Ich lasse mich nicht als Lügner hinstellen.“ Laut Staatsanwaltschaft hatte Dillinger nur bestimmte Dokumente zurückhaben wollen und diese auch bekommen. Er sei damit einverstanden gewesen, dass andere Asservate vernichtet würden.

Was kann denn dann überhaupt noch eingesehen werden? Die von Computern, Laptop, Handy und Festplatte gewonnenen Daten lägen alle vor, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Sie seien von einer externen IT-Firma gesichert worden. Zudem gebe es noch einzelne Schriftstücke aus brieflicher Korrespondenz des Verstorbenen mit verschiedenen Menschen und Stellen, die in dem Wohnhaus gefunden wurden.

Außerdem seien von der Vernichtung nicht betroffen die Fotos und Unterlagen, die der Neffe ursprünglich bei den Ermittlungsbehörden in Mainz abgeliefert hatte. Dazu gehörten auch ein paar Terminkalender, sagte Steffen Dillinger. Und rund 4400 Dias oder Fotos, von denen zehn Bilder als strafrechtlich relevante jugendpornografische Fotos eingestuft wurden, bei zwölf Bildern sei dies nicht eindeutig.

Staatsanwaltschaft Trier hat jetzt das Material aus Mainz

Das Material aus Mainz ist nach einem Akteneinsichtsgesuch von Brauer inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Trier eingegangen. „Die Mainzer waren flott“, sagte Hromada. Es sei geplant, die Unterlagen voraussichtlich nächste Woche dort einzusehen. Den Antrag, in die Saarbrücker Akten und Asservate Einblick zu bekommen, hatte Brauer bereits am 20. Juni gestellt.

Im August werde es den ersten Zwischenbericht der Justizexperten der Aufarbeitungskommission zur Causa Dillinger geben, sagte Hromada. Ergebnisse seien noch nicht zu erwarten. „Es wird im Prinzip eine Zusammenstellung sein, was wir bisher gemacht haben und was wir vorhaben.“ Man habe auch schon mit Zeugen gesprochen, darunter mutmaßliche Opfer. „Das wird weitergehen.“ Es hätten sich Menschen auch aus Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern gemeldet.

Opferzeugen ermitteln, die Angaben zu etwaigen noch lebenden Tätern und noch nicht verjährten Straftaten machen könnten – das will auch die Saarbrücker Staatsanwaltschaft in einem Mitte Juli eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Es richtet sich gegen Unbekannt wegen des Anfangsverdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen.

Das Verfahren sei nach einem Bericht der „Rhein-Zeitung“ (13. Juli) eingeleitet worden: Darin habe ein der Redaktion namentlich bekannter Zeuge auszugsweise zitierte Angaben zu einer „Täterszene“ um den Verstorbenen und zu „bekannten“ Treffpunkten gemacht. Zudem soll ein ebenfalls der Redaktion bekannter Zeuge bei einer mutmaßlichen Missbrauchstat schwer verletzt worden sein, teilte die Behörde mit. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt.

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