Dringend gesucht: Ein neues Image

Mainz · Bereitet der rheinland-pfälzische Justiz- und Verbraucherminister Jochen Hartloff seinen Sprung nach Berlin vor? Die SPD will das Thema Verbraucherschutz nicht mehr länger der Union oder den Grünen überlassen. Hartloff könnte zum Verbraucherschutzexperten seiner Partei werden.

Mainz. Mit der Justiz hatte Jochen Hartloff bislang wenig Freude. Kaum im Amt, wurde er von einer Welle der Empörung überrollt. Der Streit um die OLG-Reform brachte den Sozialdemokraten aus der Pfalz bundesweit in die (Negativ-)Schlagzeilen. Dieser Großkonflikt um die Zukunft des Oberlandesgerichts in Koblenz ist zwar halbwegs beschwichtigt. Aber schon steht der nächste Ärger ins Haus. Der Justizminister kann seinen Favoriten für die Zentralabteilung im Ministerium nicht ernennen. Ein Mitbewerber sieht das Prinzip der Bestenauslese verletzt - und will seinen Anspruch vor Gericht durchsetzen.
Auf zu neuen Feldern


Irgendwie klebt Pech an den Händen dieses Justizministers. Politische Beobachter gehen davon aus, dass er noch lange brauchen wird, um sich in dem politischen Minenfeld seines Ressorts trittsicher zu bewegen.
Doch Hartloff ist ja nicht nur Justiz-, sondern auch Verbraucherschutzminister. Und in dieser Funktion möchte er in nächster Zeit verstärkt in Erscheinung treten - auf Landes- und auf Bundesebene. Das bereitet er derzeit bei Berliner Medien vor.
Dieser Schachzug ist gar nicht so ungeschickt. Hartloff braucht dringend einen Imagewechsel. Sein Rückhalt in der SPD ist geschwunden. Das ist für den einst mächtigen SPD-Fraktionschef ungewohnt. Als Justizminister muss er gegen Widerstände kämpfen. Das erschwert es ihm, befreit aufzuspielen. Aber als Verbraucherschutzminister? Hier muss Hartloff sich nicht mit der ungeliebten Richterzunft rumschlagen, sondern hier kann er sich mit Themen profilieren, die nah an der Lebenswirklichkeit vieler Bürger sind. Hartloff als Streiter für eine effiziente Lebensmittelüberwachung, als Kämpfer für eine bessere Verbraucher- oder eine transparente Finanzberatung. Wer regt sich nicht über Abzocke im Internet auf, über nervige Telefonwerbung oder löchrigen Datenschutz? Themen gibt es mehr als Besucher bei der Kuseler Herbstmesse - eines der größten Volksfeste in Hartloffs nordpfälzischer Heimatregion.
Doch der SPD-Politiker will die verbraucherpolitische Karte nicht allein in Rheinland-Pfalz ausspielen - er steigt bundesweit in den Ring. Am 23. September konstituiert sich in der SPD der "Gesprächskreis Verbraucherpolitik". In diesem Gremium soll alles sitzen, was bei den Sozialdemokraten in Sachen Verbraucherschutz Rang und Namen hat - auf Bundes- und Länderebene sowie quer durch die Parlamente. Den Vorsitz teilen sich Jochen Hartloff und Elvira Dobrinski-Weiß, die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Der Gesprächskreis, der jetzt jetzt nach einer längeren Auszeit neu aufgestellt wird, soll für Fachleute offen sein, quasi als parteiinterne Denkfabrik. Aber Fakt ist natürlich: Wer dort den Vorsitz innehat, reklamiert in diesem Segment einen bundespolitischen Führungsanspruch.
Jochen Hartloff hat wie Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) ohnehin schon einen Sitz im Bundesvorstand der Genossen. Nur trat er bislang auf dieser Ebene kaum in Erscheinung. Das soll sich ändern. Die SPD will das Thema Verbraucherschutz nicht mehr länger der Union oder den Grünen überlassen. "Wir müssen dafür sorgen, dass die SPD viel stärker als Verbraucherschutzpartei wahrgenommen wird", sagt Elvira Dobrinski-Weiß im Gespräch mit unserer Zeitung. Die frühere Grund- und Hauptschulrektorin aus Baden-Württemberg will dieses Feld daher intensiv mit Hartloff beackern - und auch parteiintern eine größere Lobby für das vermeintlich weiche Ressort schaffen.
Geht das Kalkül auf, würde Jochen Hartloff zu einem der bundespolitischen Gegenspieler von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) aufgebaut werden. Die pragmatische, integre Politikerin aus Oberbayern gilt zwar als solide Fachministerin, bietet aber in der Kommunikation manche unnötige Flanke. Das brachte sie vor allem im jüngsten Dioxinskandal in die Kritik. Der SPD eröffnen sich also durchaus politische Spielräume.
Ein kompliziertes Feld


Hartloff muss aber erst einmal sein inhaltliches Profil schärfen. Verbraucherschutz ist ein kompliziertes Feld, da kann man auch leicht scheitern. Zudem dürfte ihm regelmäßig eine Verbraucherschutzexpertin auf Landesebene in die Parade fahren Aigners Ex-Staatssekretärin Julia Klöckner (CDU).Jochen Hartloff (56) stammt aus der Pfalz. Seit 1984 amtiert er als ehrenamtlicher Stadtbürgermeister in seiner Geburtsstadt Kusel, wo er sich großer Beliebtheit erfreut. In den rheinland-pfälzischen Landtag zog der studierte Jurist 1996 ein. Von 2001 bis Mai 2006 war er parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Von 2006 an übernahm er dann deren Vorsitz. Hartloff hielt die Fraktion zusammen. Konflikte wurden intern ausgetragen. Am 18. Mai 2011 wurde er schließlich zum Minister für Justiz und Verbraucherschutz ernannt. Hartloff tritt gern salopp auf und trägt fast nie Krawatten. Er hat ein Faible für Kunst und eine Weile sogar Kunstgeschichte studiert. Mit seiner langjährigen Lebensgefährtin hat er zwei Söhne. db

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