Droht Blockierern von Rettungsgassen bald ein Fahrverbot?

Wittlich/Bitburg/Mainz · Wenn es bei Unfällen um Leben und Tod geht, kämpfen Einsatzkräfte auf Autobahnen häufig gegen verstopfte Zuwege an. Innenminister der Länder pochen nun auf höhere Strafen für Autofahrer, die die Rettungsgasse blockieren.

Rettungskräfte aus der Region empfehlen dieses Video.

Wenn es auf der Autobahn kracht, können Sekunden im Extremfall um Leben und Tod entscheiden. Tönt das Martinshorn, fließt der Verkehr nur zäh oder kommt gar völlig zum Erliegen, sind Autofahrer daher gesetzlich verpflichtet, eine Rettungsgasse zu bilden. Sie soll Feuerwehrkräften, Sanitätern und Polizisten genügend Platz lassen, um bis zur Unfallstelle vorfahren und Hilfe leisten zu können.

Gerade auf den Autobahnen, wo es häufig zu Zusammenstößen kommt - 9082 Unfälle gab es dort im vergangenen Jahr alleine in Rheinland-Pfalz, bei denen 1536 Menschen verletzt wurden und 24 starben. Rettungskräfte klagen aber darüber, dass die Gasse häufig falsch gebildet wird - oder im schlimmsten Fall gar nicht. Erst im März mussten Sanitäter auf einer Autobahn in Hessen 800 Meter zu Fuß laufen, um einen schwer verletzten Arbeiter zu erreichen, der von einem Baugerüst gestürzt war. Die Feuerwehr erstattete Anzeige gegen 30 Autofahrer, die nun mit einer Strafe von 20 Euro rechnen müssen.

Kritiker sagen, das ist zu wenig. Doch das Blockieren der Rettungsgasse geht über eine Ordnungswidrigkeit nicht hinaus.

Innenminister von Bundesländern wollen das nun ändern und fordern Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf, Strafen zu verschärfen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) schlägt vor, über das Ausweiten von Fahrverboten zu reden und Geldstrafen deutlich zu erhöhen. Ohne zusätzliche Sanktionen sei das Verhalten mancher Verkehrsteilnehmer nicht zu ändern, sagt er. Das Land hat zuletzt schon das Strafmaß für Gaffer auf mögliche 10.000 Euro verdoppelt, die bei Unfällen filmen und die Arbeit von Rettungskräften behindern. Strafen im Straßengesetz liegen aber in der Hand des Bundesverkehrsministeriums. Die Innenminister-Konferenz hat den Bund bereits aufgefordert, die Sanktionshöhe zu überprüfen - wie bei erhöhter Geschwindigkeit, geringem Abstand, Handy-Nutzung am Steuer und eben beim Nichtbilden einer Rettungsgasse. Lewentz sagt, entsprechende Initiativen des Bundes zur Verschärfung werde er unterstützen.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums betont zwar, strafrechtliche Folgen bis zur Freiheitsstrafe seien bereits jetzt für Verkehrsteilnehmer möglich, die eine Rettungsgasse absichtlich blockieren. Doch in Rheinland-Pfalz mehren sich Befürworter, das Blockieren generell härter zu ahnden. Herbert Fuss vom ADAC Mittelrhein sagt: "20 Euro sind keine Strafe, sondern ein Witz." Ein höheres Bußgeld alleine bringe aber nichts. "Das zahlen manche aus der Portokasse. Weh tun nur Punkte oder ein Fahrverbot." Jörg Teusch, Feuerwehrinspekteur des Kreises Bernkastel-Wittlich, erwartet erst ein Umdenken, wenn mancher Blockierer "seinen Boliden nicht mehr steuern kann". Blockierte Rettungsgassen seien auch in der Region "Alltag".

Der Verkehrspsychologe Karl-Friedrich Voss warnt dagegen davor, sich nur auf die Autofahrer zu verlassen. Die Polizei könne besser informieren und Autobahnen nach Unfällen komplett sperren, damit Rettungsfahrzeuge über die Gegenfahrbahn schneller zu Unfallstellen kommen könnten.

WIE GEHT ES WEITER BEI DER RETTUNGSGASSE?

(flor) Die Innenministerkonferenz habe sich verständigt, Sanktionen zu überprüfen, sagt Markus Ulbig (Sachsen). Mitte Juni werde man das Thema mit dem Bundesverkehrsminister erörtern und einen Stand vorstellen.

"Dann könnte ich ins Lenkrad beißen" - Fragen und Antworten: Wie die Rettungsgasse funktioniertKommentar

Höhere Strafen? Ja, aber ...

Blockierte Rettungsgassen sind kein Vergnügen. Nicht für Unfallopfer, die so schnell wie möglich erste Hilfe benötigen. Und nicht für die Einsatzkräfte, die mit ihren breiten Rettungswagen oft vor verstopften Wegen kapitulieren. Immer mehr Sanitäter beklagen sich dann noch, dass sie sich Beschimpfungen gefallen lassen müssen, wenn sie Verkehrsteilnehmer auf die richtigen Regeln hinweisen. Länder und Bund sind daher gefordert, Platz schaffen für höhere Strafen, die abschrecken. Von den 20 Euro, die jetzt zu zahlen sind, kann das kein Mensch behaupten. Zugleich müssen Politik und Einsatzkräfte beharrlich aufklären, wie eine Rettungsgasse zu bilden ist. Denn nicht immer steckt hinter dem Blockieren böse Absicht - oft ist es fehlende Ahnung.

f.schlecht@volksfreund.de

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