Umwelt Wissing bekommt bissigen Brief aus Berlin

Bad Kreuznach/Berlin · Streit um die neue Düngeverordnung: Rheinland-Pfalz droht weiter mit Ablehnung im Bundesrat. Berlin warnt vehement vor den Folgen, die noch mehr Landwirte hart treffen könnten. Aber auch alle anderen Bundesbürger. 

Auf der einen Seite sind Abertausende wütende Bauern, die auf die Straße gehen, weil sie um ihre Existenz fürchten. Weil sie es satt haben, als Naturzerstörer dazustehen. Und weil sie mit ihren Protesten verhindern wollen, weitere Umweltauflagen zu erhalten.

Auf der anderen Seite sind Umweltschützer und Wasserversorger, die um das wichtigste aller Lebensmittel fürchten und eine EU-Kommission, die mit täglichen (!) Strafzahlungen in Höhe von 857 000 Euro droht, wenn Deutschland nicht schnell mit schärferen Düngeregeln dafür sorgt, dass weniger Nitrat ins Grundwasser gelangt.

Irgendwo dazwischen in der Klemme sitzen die verantwortlichen Politiker und machen sich gegenseitig Vorwürfe. Kaum ein Thema sorgt aktuell für so viel Streit wie die Düngeverordnung, die Ende April in Kraft treten soll.

So hat der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) beim „Agrargipfel Rheinland-Pfalz“ in Bad-Kreuznach am Montag erneut bekräftigt, dass er der neuen Düngeverordnung in der vorliegenden Form im Bundesrat nicht zustimmen könne. Sie sei praxisfremd und für die rheinland-pfälzischen Betriebe existenzgefährdend. „Wer Länder und Landwirte übergeht, handelt an der Praxis vorbei“, sagte Wissing nach seinem Treffen mit Vertretern des Berufsstands. Die Bundesregierung habe den direkten und frühzeitigen Austausch mit den Landwirten bislang versäumt.

Die öffentliche Antwort, die der Liberale aus Berlin bekommt, ist bissig. Beate Kasch, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, zeigt Wissings die möglichen Folgen einer Ablehnung auf. „Wie Ihnen bekannt ist, befinden wir uns nicht am Beginn eines konstruktiven Prozesses mit der Europäischen Kommission, sondern am Ende eines juristischen. Ebenso ist Ihnen bekannt, dass bei Ablehnung der neuen Düngeverordnung durch den Bundesrat unmittelbar mit der Einleitung des Klageverfahrens beim EuGH durch die Kommission zu rechnen ist.“ Dabei stünden nicht nur hohe Strafzahlungen im Raum, „sondern wir haben dann auch gegenüber der Kommission keinerlei Mitsprachemöglichkeit mehr und müssen in Folge die voraussichtlich noch strengeren Vorgaben der Kommission vollziehen“. Diese habe ursprünglich verlangt, dass in ganz Deutschland minus 20 Prozent gedüngt werden muss – und nicht nur in den zu stark mit Nitrat belasteten „roten Gebieten“, zu denen auch weite Teile der Region Trier zählen.

Diesen strengeren Ansatz habe man „raus verhandeln“ können. „Wir müssten so lange zahlen, bis die Forderungen der Kommission erfüllt sind“, mahnt Kasch. Sie sei sich sicher, dass die Landesregierung diese Folgen nicht verantworten wolle. Die Bundesregierung jedenfalls sei fest entschlossen, diese Gefahr abzuwenden.

Die Kritik Wissings verwundere sie. Denn im Rahmen der Länderbeteiligung sei, anders als aus anderen Ländern, gar keine schriftliche Stellungnahme aus Rheinland-Pfalz eingegangen. Auch habe die Landesregierung keine Alternativen präsentiert. „Es könnte der Eindruck entstehen, dass man sich Zustimmung im Berufsstand sichern möchte, ohne selbst mit konkreten Vorschlägen Verantwortung zu übernehmen“, kritisiert Kasch.

Seit 2017 hätten die Länder die Möglichkeit, die nitratbelasteten Gebiete, in denen die Einschränkungen gelten sollen, genau und differenziert auszuweisen. „Davon macht Rheinland-Pfalz bis zum heutigen Tag keinen Gebrauch und setzt damit mehr Landwirte den schärferen Maßnahmen aus, als es die lokale Nitratbelastung möglicherweise erfordern würde“, betont die Staatssekretärin. Tatsächlich arbeitet Rheinland-Pfalz aktuell noch daran, sein Messnetz zu überprüfen und die roten Gebiete so zu unterteilen, dass die strengen Maßnahmen nur dort greifen, wo es wirklich nötig ist (Stichwort: Binnendifferenzierung, siehe Text unten).  Andere Bundesländer seien da weiter.

 Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) spricht zu demonstrierenden Landwirten.

Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) spricht zu demonstrierenden Landwirten.

Foto: dpa/Andreas Arnold

„Um diese Situation in Zukunft zu vermeiden, plant die Bundesregierung, die Ausweisung der belasteten Gebiete zwischen den Ländern künftig zu vereinheitlichen“, gibt Kasch bekannt. Eine Binnendifferenzierung der roten Gebiete sei künftig Pflicht, eine rechtliche Vorgabe werde erarbeitet. Was das alles für die Praxis bedeutet, ist noch völlig offen. Um den Landwirten Planungssicherheit zu geben, rechne sie im Bundesrat mit Wissings Zustimmung. Nicht nur Rheinland-Pfalz, auch Bayern lehnt die geplanten Neuerungen ab. Anfang April soll der Bundesrat sich mit der Düngeverordnung befassen, damit diese Ende April in Kraft treten kann – und Deutschland den immensen Strafzahlungen entgeht.v

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