Ehren für den Staatsmann und Menschen

Speyer · Requiem im Speyerer Dom zeigt die besondere Beziehung des Altkanzlers zu dem Gotteshaus.

 Im Dom zu Speyer wird der Altkanzler mit einem Pontifikalrequiem gewürdigt. Foto: dpa

Im Dom zu Speyer wird der Altkanzler mit einem Pontifikalrequiem gewürdigt. Foto: dpa

Foto: Arne Dedert (dpa-Pool)

Speyer (dpa) Am Abend eines langen Trauertages wird vor dem Hochaltar im Dom von Speyer neben dem Staatsmann auch der Mensch Helmut Kohl sichtbar. Mit ernstem Blick geht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch das Mittelschiff der mächtigen romanischen Kathedrale, während Kohls Lieblingswerk auf der Orgel erklingt, die Toccata und Fuge in d-Moll von Johann Sebastian Bach. "Er war tief verwurzelt in seinem Glauben", sagt die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner beim Betreten des Doms. "Das war ihm der Fels in der Brandung."
Die Besucher denken auch an das Zerwürfnis Kohls mit seinen beiden Söhnen aus erster Ehe, die bei dem Trauergottesdienst nicht gesehen wurden. "Das ist traurig, dass die Söhne nicht dabei sind", sagt der rheinland-pfälzische CDU-Politiker Christian Baldauf. Aber sie werden gleich zu Beginn der Totenmesse genannt. "In meinen Gruß möchte ich einschließen die Söhne Walter und Peter Kohl mit ihren Familien", sagt der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, gleich im Anschluss an die Begrüßung der Witwe Maike Kohl-Richter, Kohls zweiter Frau.
In seiner Predigt zeigt der Geistliche beide, den Staatsmann und den Menschen: "Wir nehmen Abschied von einem Menschen mit allem, was Menschsein in Kraft und in Schwäche bedeutet." Der Tod seines Bruders Walter im Zweiten Weltkrieg habe Kohl tief geprägt, ihn zur Überzeugung gebracht: "Nie wieder Krieg!"
Alles hat seine Stunde - dieser Vers aus dem Alten Testament (Prediger 3,1) erfüllte sich nach den Worten Wiesemanns, als Kohl das Zeitfenster nutzte und die Wiedervereinigung Deutschlands erreichte - nach Vorbereitungen wie der Ostpolitik von Kanzler Willy Brandt oder dem Engagement mutiger Christen im Osten Deutschlands.
Wiesemann erinnert an die enge Verbindung Kohls zum Dom von Speyer, auch an dessen Liebe zum pfälzischen Saumagen. Die Messe wird von Wiesemann gemeinsam mit zwei seiner Vorgänger gefeiert, Friedrich Kardinal Wetter und Anton Schlembach, auch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dem Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx.
Wiesemann spricht Maike Kohl-Richter an, würdigt, dass sie ihrem Mann auch in den letzten Jahren geduldig ertragenen Leidens zur Seite gestanden habe. Und schließt an: "Unser Mitempfinden gilt den Söhnen und Enkelkindern, die ihren Vater und Großvater verloren haben."
Das Requiem bringt Politiker und Geistliche zusammen. "Staat und Kirche sind auf gegenseitige Unterstützung angewiesen", sagt Bruder Clemens Maria vom Orden der Barmherzigen Brüder in Trier. Die Tiefe christlicher Werte könne nur die Kirche vermitteln, der Staat müsse neutral bleiben. Auch der Staat habe seine Werte, sagt dazu die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor dem Dom in Speyer. "Aber Kirche kann die Menschen anders erreichen, diese spirituelle Dimension von Werten kann nur Kirche vermitteln."
Die Verbindung zwischen Staat und Kirche kommt schließlich auch in der Fürbitte zum Ausdruck: "Wir bitten dich für alle, die in Staat und Gesellschaft Verantwortung tragen."
Soldaten tragen den Sarg von Helmut Kohl, bedeckt mit der Bundesflagge, aus der Kirche ins Freie. In strömendem Regen verfolgen Maike Kohl-Richter, in einer Reihe mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, das militärische Ehrengeleit. Während der Leichenwagen zum Friedhof des Domkapitels fährt und die Soldaten im Gleichschritt den Domplatz verlassen, bleibt das Gebet von Bischof Wiesemann im Ohr: "Herr, lass ihn ruhen in Frieden!"

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