Ein Bordellbesuch in Berlin und seine Folgen

Mainz · Im Untreue-Prozess gegen Ex-CDU-Chef Christoph Böhr hat gestern wieder ein Bordellbesuch vor Jahren in Berlin eine Rolle gespielt, der die Union bis ins Mark erschüttert hat. Die Angeklagten kämpfen gegeneinander.

Mainz. Die Villa Rascona, ein Nachtklub in Berlin am Kudamm, wirbt auf ihrer Homepage im Internet damit, ein "exklusives Bordell" zu sein. Ob und welche rheinland-pfälzischen CDU-Politiker sich dort vor acht Jahren "von bezaubernden jungen und exotischen Schönheiten verwöhnen" ließen, wie der Klub sein Angebot preist, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.Keine Angaben zu Begleitern


Markus Hebgen, früherer CDU-Fraktionsgeschäftsführer, war auf jeden Fall da. Er ist dafür, dass er den Besuch mit der CDU-Kreditkarte bezahlt hat, bereits verurteilt worden. Über seine Begleiter habe er sich nie geäußert und werde das "auch nie tun", sagt der Angeklagte gestern im Untreue-Prozess gegen Ex-CDU-Chef Christoph Böhr vor dem Mainzer Landgericht.
In diesem Verfahren geht es um mutmaßliche illegale Parteienfinanzierung, doch die Villa Rascona spielt eine Nebenrolle. Als Zeuge sagt der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Günther Schöneberg aus Bendorf aus. Ihn hatte Hebgen einst vor der Staatsanwaltschaft Mainz als Begleiter genannt - zu seiner großen Empörung. Schöneberg hatte vor Jahren Strafanzeige gegen Hebgen wegen übler Nachrede gestellt und betonte auch gestern vor Gericht seinen Ärger darüber, "wie man unbescholtene Bürger in den Dreck ziehen kann". Er habe an besagtem Tag einen Termin im Münsterland gehabt und sei nie im Rascona gewesen.
Christoph Böhrs Verteidiger Thomas Hermes hat Schöneberg als Zeugen laden lassen. Die Strategie lautet offenbar, Hebgens Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Immerhin behauptet der, Böhr habe damals genau gewusst, dass 386 000 Euro Fraktionsgeld und damit Steuermittel an die Beratungsfirma C4-Consulting geflossen sind, obwohl diese die Partei illegal im Wahlkampf unterstützt habe. Womit der ebenfalls wegen Untreue angeklagte Hebgen Böhr schwer belastet.
Anwalt Thomas Spintig versucht, die Strategie gegen seinen Mandanten Hebgen mit einer Erklärung zu durchkreuzen. Die Zeugenaussage lasse "keine Rückschlüsse auf das laufende Verfahren zu", betont er. Die Lage der Mitangeklagten müsse "verzweifelt und hoffnungslos" sein, dass sie auf den Einfall kämen, diesen Zeugen zu hören.
An den Klub Rascona und unangenehme Drohungen von Hebgen erinnert sich diesmal Hans-Josef Bracht, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, besser. Bracht war schon einmal als Zeuge da und hatte auf seine Notizen verwiesen, die er nicht dabei hatte. Diesmal unterstreicht er: "Meine Anstrengungen, mich zu erinnern, hatten Erfolg."Keine Belege, keine Verträge


Bracht zitiert aus diversen Presseberichten im Herbst 2008 und noch einmal 2010. Die CDU hatte seinerzeit vorsorgliche Regressforderungen gegen Markus Hebgen wegen dessen Fehlverhaltens geltend gemacht, es ging um hohe sechsstellige Beträge. Man habe etwa zur Antwort bekommen, der CDU-Spitze drohe Ungemach, erzählt Bracht.
Mit all dem hat Klaus P. Behnke, Präsident des Landesrechnungshofs, nichts zu tun. Der 62-jährige Trierer soll vor Gericht schildern, wie seine Behörde bei der Prüfung der CDU-Fraktionsfinanzen der Jahre 2005/2006 vorgegangen und zu welchem Ergebnis sie gekommen ist. "Eine Auskunft hat die nächste Frage ergeben", berichtet Behnke. Aussagen der Beteiligten seien "nicht konsistent und teils widersprüchlich gewesen".
Außer Rechnungen habe nichts vorgelegen, keine Belege, keine Verträge, nichts, präzisiert Behnke später auf dem Flur. Dabei habe es aufgrund der Grauzone zwischen Fraktions- und Parteiarbeit und eines diesbezüglichen Urteils des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 2001 eine erhöhte Dokumentationspflicht gegeben.Urteil für 3. Dezember erwartet



Vor Gericht erläutert der Präsident auch, warum der Rechnungshof ein zwischenzeitliches Vergleichsangebot der CDU-Fraktion, 128 000 Euro zu zahlen und damit den Vorgang abzuschließen, 2009 ablehnen musste: "Eine Akzeptanz hätte ihren Grund in objektiven Fakten haben müssen." Die habe es nicht gegeben. Deshalb habe der Rechnungshof festgestellt, dass 478 000 Euro, darin die 386 000 Euro an C4, nicht bestimmungsgemäß ausgegeben worden seien.
Der Prozess neigt sich allmählich dem Ende zu. Heute werden zahlreiche Dokumente aus den Akten verlesen. Am 20. November plädiert der Staatsanwalt, am 26. November tun dies die Verteidiger. Das Urteil soll am 3. Dezember verkündet werden.

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