Ein Ex-Anwalt auf Abwegen? Bitburger soll ohne Zulassung Mandanten beraten haben
Bitburg · Der Anwalt, der keiner ist: Vor 19 Jahren hat er seine Zulassung und seine Kanzlei verloren. Trotzdem soll der Mann aus Bitburg weiterhin als selbstständiger Anwalt tätig gewesen sein – unter dem Deckmantel anderer Juristen und mit deren Wissen. Er jedoch weist alle Vorwürfe von sich.
Rechtsanwalt ist er keiner mehr. Doch obwohl der Mann seit 19 Jahren keine Erlaubnis mehr dafür besitzt, soll er Menschen in rechtlichen Fragen beraten haben - angeblich in Hinterzimmern anderer Kanzleien und auch in seinem eigenen Büro. Aus den Reihen der Bitburger Anwaltschaft, die gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Koblenz gegen den Mann vorgeht, heißt es, er habe sich seinen Mandanten teilweise regelrecht "aufgedrängt". Wie viele sind betroffen? "Unzählige", sagt Rechtsanwalt Karl L. Ditgen aus Koblenz, der an den Verfahren gegen den Ex-Anwalt beteiligt ist. "Unzählige, die ihm da aufgesessen sind." Über Jahre hinweg habe der Mann "auf unlauterem Wege" versucht, "außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen" - und das sei etwas, das er schlicht nicht dürfe.
Die Vorgeschichte: Der Mann verlor im Februar 1995 seine Zulassung als Rechtsanwalt. Der Grund: Er soll damals Mandantengelder veruntreut haben. Als Anwalt gearbeitet hatte er seit September 1978 in Bitburg. Auch ohne Zulassung soll er dann nicht mit der Rechtsberatung aufgehört haben.
Der erste Kampf: Die Rechtsanwaltskammer Koblenz führte Anfang 2011 vor dem Landgericht Trier ein wettbewerbsrechtliches Verfahren gegen den Ex-Anwalt: Fast 16 Jahre, nachdem er seine Zulassung verloren hatte, war die Kammer in der Lage, ihm in mehreren Fällen nachzuweisen, dass er unerlaubt Mandanten beraten hatte. Solche Gespräche darf er laut Gesetz aber nur in Anwesenheit eines Rechtsanwalts führen. Er verpflichtete sich in einem Vergleich, keine Mandanten im Alleingang zu beraten oder Schriftsätze in ihrem Auftrag zu verfassen - gehalten hat er sich daran jedoch nach Auffassung der Rechtsanwaltskammer nicht.
Neue Verhandlung: Jetzt wurde er zu einer in dem Vergleich festgelegten Vertragsstrafe von 10.000 Euro verurteilt - weil er in zwei Fällen gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung von 2011 verstoßen haben soll. Im Trierer Gerichtssaal erging ein Versäumnisurteil - das nicht rechtskräftig ist: Weder er noch sein Anwalt waren anwesend.
Ditgen nach der Verhandlung: "Das war ein 100-prozentiger Erfolg - aber man muss das Urteil auch vollstrecken, also die 10.000 Euro auch in Anspruch nehmen können." Und da hat der Mann seine Erfahrungen mit dem Verhalten des Ex-Anwalts: "Das Problem? Der tut so, als ob er nichts hätte." Auch das Geld aus dem Verfahren von 2011 - die Prozesskosten, die er hätte begleichen sollen - habe man nie gesehen.
Weitere Vorwürfe: Die unerlaubte Rechtsberatung - das ist nicht alles. "Er tut das auch unter dem Deckmantel von Anwälten, deren Briefkopf er benutzt", sagt Ditgen. "Und - das ist das Traurige daran - die haben das Spiel mitgemacht." Darunter seien beispielsweise Kanzleien in Trier, Kaiserslautern und in Lukenwalde in Brandenburg. Inwieweit diese Anwälte mit Konsequenzen rechnen müssen, steht derzeit noch nicht fest. Die Rechtsanwaltskammer Koblenz sei an der Sache dran - ebenso die Kollegen in Brandenburg, teilt Marga Buschbell-Steeger, Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Koblenz, mit. Ditgen spricht von einem weiteren Beweismittel, das man noch "in der Hand habe": dem Schreiben eines Zeugen. Darüber will er zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nichts sagen. Zudem spricht er von mindestens sechs weiteren Fällen, in denen man den Bitburger Ex-Anwalt selbst noch belangen könnte.
Und das sagt der Ex-Anwalt: Das Urteil sei keineswegs berechtigt, "wir legen Einspruch ein", sagt der Bitburger, der sich als Assessor des Rechts (Volljurist) bezeichnet, dem Volksfreund. Schon 2011 habe das Gericht einen Fehler gemacht: "Ich war immer ein angestellter Mitarbeiter bei Kanzleien - die aber gingen davon aus, ich sei selbstständig. Ich habe gegen keine Wettbewerbsregeln verstoßen." Deshalb müsse die Klage abgewiesen werden. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen: Er fürchtet um seinen Ruf. Aber seine Zulassung als Anwalt, die, sagt er, wolle er vielleicht wieder beantragen. Gesetzeslage
Paragraf 3 Absatz 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) - in Verbindung mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) - verbietet die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, wenn man dafür nicht die erforderliche Erlaubnis besitzt. Wer gegen dieses Verbot verstößt, kann abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert werden. Wer sich zur Unterlassung verpflichtet, akzeptiert in der Regel auch eine Vertragsstrafe für den Fall, dass er gegen dieses vertraglich vereinbarte Verbot verstößt. eibFälle in Bitburg
Vor allem in den 90er Jahren wurden gleich mehrere Anwälte in Bitburg straffällig - wegen Betrugs, Untreue oder Steuerhinterziehung - und verloren ihre Zulassung. "Warum das in Bitburg häufiger vorkam als woanders, das kann ich auch nicht sagen", sagt Amtsgerichtsdirektor Helmut Mencher. "Wenn es viele Anwälte gibt, dann scheint's auch viele schwarze Schafe zu geben", meinte 1996 der Staatsanwalt im Prozess gegen einen Rechtsanwalt, der mit einer Bewährungsstrafe nach Hause ging. Nach Angaben der Rechtsanwaltskammer Koblenz sind derzeit 53 Anwälte im Amtsgerichtsbezirk Bitburg zugelassen, 44 davon haben ihren Sitz in der Stadt. 1996 waren es weniger, nämlich 36.