Ein goldenes Jahr für Fruchtfliegen: Drosophila-Arten konnten sich 2014 massenhaft vermehren

Trier · Sie schwirren überm Obstkorb, ertränken sich im Wein und fallen fast in jedem Haushalt zur Last: Über die Region ist eine wahre Fruchtfliegenplage hereingebrochen. Der TV hat sich umgehört, wie es dazu kam und was dagegen hilft.

Genetiker lieben Fruchtfliegen, alias Drosophila melanogaster. Denn sie vermehren sich rasant. Nach nur 22 Stunden wird aus einem Ei - und die Weibchen legen praktischerweise gleich 400 Eier auf ein Mal - eine hungrige Made, die sich nirgends so wohl fühlt wie auf matschigem Obst. Diese wiederum verwandelt sich in nur neun Tagen über mehrere Larvenstadien zur Puppe und dann weiter zum flugfähigen Insekt. Ein Versuchstier also, angesichts dessen rasanter Vermehrung Wissenschaftler fast schon dabei zusehen können, wie genetische Informationen von einer Generation an die nächste vererbt werden.

Hoffen auf kalte Winter

Aus dem gleichen Grund hassen alle anderen Drosophila. Insbesondere, wenn sie so massenhaft auftreten wie jetzt und kein Kraut gegen ihre Fortpflanzungswut gewachsen zu sein scheint (außer vielleicht Basilikum, siehe Extra). Derzeit sind die Viecher überall. Setzen sich auf Äpfel, Birnen und Zahnbürsten, schwirren überm Orangensaft und ertränken sich im frisch eingeschenkten Rotwein. Eine ebenso nervige wie harmlose Plage, die es auch jedem Normalbürger ermöglicht, das genetische Wunder aus der Nähe zu beobachten. Die meisten TV-Leser würden allerdings gerne darauf verzichten und geben sich auf Facebook gegenseitig Tipps, wie sie die "Mistviecher" am schnellsten loswerden (siehe Extra). "Ich habe leider schon alle Tricks angewendet, aber es ist kein Ende in Sicht", schreibt eine Leserin, erleichtert, nicht die Einzige mit einem Fliegenproblem zu sein.

Auf Dauer gesehen, wären kalte Winter am hilfreichsten. Dass die mit dem Klimawandel seltener werden, hat einer asiatischen Fruchtfliege den Weg nach Südwestdeutschland geebnet: Seit 2011 fühlt sich Drosophila suzukii, die Kirschessigfliege, hier heimisch. Das warme vergangene Jahr bescherte zahllosen Fruchtfliegengenerationen goldene Zeiten. "Der letzte Winter war besonders mild und hat vermutlich dazu beigetragen, dass die Kirschessigfliege überwintern und sich ausbreiten konnte", sagt Ulrich Matthes vom Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen. Die Sommer sollten warm, aber nicht zu heiß sein, weil die Männchen bei großer Hitze unfruchtbar werden. Kommt Feuchtigkeit hinzu, sind ideale Vermehrungsbedingungen gegeben. Auch Obst war an den Beerensträuchern und in den Weinbergen der Region reichlich vorhanden.

Anders als die einheimische Fruchtfliege ist die Neubürgerin nicht auf schadhafte Früchte angewiesen. Sie piekst Trauben, Kirschen und Beeren einfach selbst an, was sehr zum Leidwesen von Winzern und Gärtnern dazu führt, dass diese in nur zwei bis drei Tagen komplett verfaulen und ungenießbar sauer werden.
Alle, die sich fliegenfreie Fruchtkörbe wünschen, sollten auf den Winter hoffen. Und zwar auf einen knackig kalten. Denn einem Gartenexperten zufolge überleben die asiatischen "Biester" sogar bei minus zehn Grad.

EXTRA LESER-Tipps AUF FACEBOOK
Hunderte TV-Leser haben sich auf der Facebook-Seite von volksfreund.de an der Diskussion über die aktuelle Fruchtfliegeninvasion beteiligt. Viele waren sehr erleichtert, dort zu erfahren, dass sie nicht die Einzigen sind, die ein Problem mit den kleinen Biestern haben. Hier eine Auswahl der (nicht in jedem Fall ganz ernst gemeinten) Tipps:
Tanja Lorenz empfiehlt wie viele andere den absoluten Renner unter den Anti-Fruchtfliegen-Tipps: Apfelessig, Wasser und Spülmittel verrühren, Glas aufstellen. "Die Biester lieben es, dann ist Ruhe!" Andere geben noch einen Schuss Saft, Bier, Viez, Wein oder gar Scotch hinzu. Hilde Marmann aus Wittlich mischt Gurkenbrühe bei und erklärt in einem Leserbrief: "Durch das Spülmittel verschwindet die Spannung auf der Oberfläche." Die Fliegen kommen dann nicht mehr raus und ertrinken. "Wichtig! Lange genug stehen lassen, damit auch die letzten noch nicht Geschlüpften erwischt werden."
FloBurg empfiehlt fleischfressende Pfanzen.
Tanja Schmitz: "Konsequent, das heißt mehrmals täglich, mit dem Staubsauger aufsaugen!" Das sei das einzig wirksame Mittel. Essigwasser hingegen ziehe die Fliegen erst recht an.
Gitte Zehren rät: Ein reifes Obststück in ein Schüsselchen legen, Frischhaltefolie drüberspannen, Löcher reinstechen. So krabbeln die Fliegen hinein, finden aber nicht mehr hinaus.
Helga Kathi Dahm: "Es hört sich merkwürdig an, aber die Fruchtfliegen mögen keinen Basilikum." Also: Basilikum züchten.
Viola Schmitz: Rotwein ins Glas - gemischt mit etwas Wasser und einem Schuss Spülmittel.
Micki Shoe: "Also bei mir hat es mit den Klebedingern zum Aufhängen echt gut funktioniert."
Serdar Yigit: "Ich dachte ich bin der Einzige in Trier. Deospray und Feuerzeug und weg sind die Dinger."
Tina Gudduschat Kirchen: "Da hilft nur saugen, Lebensmittel in den Kühlschrank stellen und nichts offen rumstehen lassen. Das zieht die Biester noch mehr an. Klappt bei uns bestens."
Jutta Olinger: "Anti-Fliegen-Stecker......alle weg:-)"
Ellen Kranzdorf: "Einfach ein Glas Gurken öffnen, dann fliegen sie rein. Hat meine Tochter gemacht. Sind alle weg."
Jules Scu: "Die Essigfallen bringen leider nichts - zumindest nicht bei mir. Ich habe mein Fenster mit Essigreiniger geputzt - hat geholfen. Die kleinen Biester setzen sich auf das Fenster und, naja, verenden dort." kah

EXTRA GEFÄHRLICHE STECHMÜCKEN
Mit dem Klimawandel kommen noch andere Plagegeister. 2012 wurde die asiatische Buschmücke erstmals bei Koblenz gesichtet. Die Stechmücke hat sich inzwischen etabliert. Da sie gefährliche Krankheiten übertragen kann, stellt sie ein Risiko dar. Noch gefährlicher ist die asiatische Tigermücke, die in Süddeutschland nachgewiesen wurde. kah

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