Analyse Ein Jahr rheinland-pfälzische Ampel-Regierung: CDU wirft der Koalition Stillstand vor

Mainz · Ein Jahr alt wird die rheinland-pfälzische Ampelregierung am 18. Mai - zum zweiten Mal. Um die Koalitionäre in Mainz ist es verdächtig ruhig. Ein Zeichen von solider Arbeit und großer Einigkeit? Eher ein Zeichen des Stillstands, sagt die CDU. Man habe es mit einer „Mutlos-Koaliton“ zu tun.

 Die Spitzenkandidatinnen der Ampel bei der Wahl im vergangenen Jahr: Anne Spiegel (Grüne), Malu Dreyer (SPD) und Daniela Schmitt (FDP).

Die Spitzenkandidatinnen der Ampel bei der Wahl im vergangenen Jahr: Anne Spiegel (Grüne), Malu Dreyer (SPD) und Daniela Schmitt (FDP).

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Gut sechs Jahre sind es her, als sich SPD, Grüne und FDP in Mainz zum ersten Mal verbandelt haben. Morgen, am 18. Mai, feiert die Ampel schon ihr zweites Einjähriges. Und es ist nach wie vor erstaunlich ruhig um die drei Koalitionäre. Nur selten treten inhaltliche Differenzen offen zu Tage, wie man es aus der neuen Berliner Ampel nun kennt. Allenfalls hört man im Hintergrund ein paar Befindlichkeiten.

Die Ampel selbst würde sagen, man müsse das als Zeichen einer fein justierten Maschine deuten, die in Ruhe ihre Arbeit macht. Beobachter sagen, es könnte auch an der zu harmlosen Gangart des Oppositionsführers, den Christdemokraten, liegen. Selbst aus Regierungskreisen ist bisweilen Spott zu hören, man würde sich sogar eine aktivere Oppositionsarbeit wünschen - mit mehr Streit.

Vor gut einer Woche hatte sich die Ampel selbst zur Einjahres-Bilanz bei einer Pressekonferenz für die Erfolge in all den kleinen Details, die sonst womöglich keiner mitbekommen würde, beweihräuchert. Selbst in Teilen der Koalition war man im Anschluss wenig begeistert über das Format. Und die Opposition wollte das inhaltlich nicht so stehen lassen - das Wording von einem Jahr Ampel in der zweiten Runde als Erfolgsgeschichte. Am Dienstag holte die CDU deshalb aus, zu einer eigenen Bilanz.

„Mutlos-Koalition“

Zweifelsfrei, die zweite Ampelregierung war mit Krisenmanagement beschäftigt wie keine andere: erst Corona, dann die Flut, jetzt der Krieg. Das bündelt Ressourcen in den Ministerien. Ein Argument, das auch die Christdemokraten der Ampel zugestehen. Zu einer anderen Bewertung der bisherigen Regierungszeit kommt die Partei naturgemäß dennoch. Obwohl man sich den Namen der Zukunftskoalition auf die Fahne geschrieben habe, blieben wichtige Themen wie Digitalisierung, Gesundheitsversorgung und Mobilität unbeantwortet. CDU-Generalsekretär Gordon Schnieder wiederholte seinen Begriff der „Mutlos-Koalition“. Die Ruhe in der Regierung also eher ein Zeichen der Behäbigkeit?

Kronprinzenfrage

Ein Jahr Ampel-Regierung RLP: CDU wirft der Koalition Stillstand vor
Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Die Frage, wer Malu Dreyers Nachfolge antreten könnte, spukt wie ein Geist durch das Mainzer Regierungsviertel. Die CDU deutet das als ein Zeichen von Schwäche. „Wir können uns einen solchen Stillstand angesichts ungelöster Personalprobleme nicht leisten“, sagte Schnieder. Das Gerangel um die Nachfolge habe längst begonnen - darunter der „ewige Kronprinz“ Alexander Schweitzer, Sozialminister, sowie Sabine Bätzing-Lichtenthäler, SPD-Fraktionsvorsitzende. Inwiefern der parteiinterne Wettbewerb zum tatsächlichen Nachteil für die Regierungsarbeit wird, muss sich noch zeigen.

Flutkatastrophe

So sehr die CDU der Ampel die Krisenargumente zuließ, so scharf fiel ihr Urteil über das Krisenmanagement bei der Flutkatastrophe aus. Der Untersuchungsausschuss habe ans Tageslicht gebracht, dass sich die Landesregierung in den entscheidenden Stunden der Naturkatastrophe weggeduckt habe, sagte CDU-Parteichef Christian Baldauf. Man habe sich in der Nacht noch nicht einmal ein Bild von der Lage verschafft. „In einer solchen Krise darf man sich als Verantwortungsträger nicht nur auf bürokratisches Handeln konzentrieren.“ Insofern könne man kaum urteilen, dass sich die Regierung als Krisenregierung bewährt habe, wie es Ministerpräsidentin Dreyer in ihrer Bilanz gesagt habe.

Gesundheit

In den kommenden Jahren wird die Zahl der Hausärzte knapp - insbesondere in ländlichen Regionen stehen viele vor dem Ruhestand. Die Christdemokraten bemängeln, das Land tue nicht genug für die künftige medizinische Versorgung. Baldaufs Lösung: Erhöhung der Studienplätze sowie eine zweite medizinische Fakultät an einer anderen Uni außerhalb von Mainz. Das Problem: Es würde ein gutes Jahrzehnt brauchen, abgesehen von der Investitionsfrage. Hier sei das Land aber ohnehin zu knauserig, meinte Baldauf. Das Investitionsprogramm für Krankenhäuser werde aufgezehrt durch steigende Baukosten.

Finanzen

Insgesamt investiere das Land viel zu wenig, man „bekomme das Geld nicht auf die Straße“, so Schnieder. In der Tat ist viel etwa auch aus dem - mittlerweile als teilweise verfassungswidrig eingestuftem - Corona-Sondervermögen nicht ansatzweise ausgegeben worden. Immerhin habe man als Gemeinschaftsleistung mit CDU, Freien Wählern und der Regierung die jahrelange Verschuldung der Kommunen nun in Teilen gelöst.

Hochschulen

An den Unis zeige sich ebenfalls die schlechte finanzielle Grundausstattung, so Baldauf. Die Studierendenzahlen sinken in der Tat seit Jahren. Es fehle zudem die Innovation durch mehr Professuren etwa für regenerative Energien oder Biotechnologie.

Digitalisierung

Bei der Digitalisierung holte die CDU zu einem Rundumschlag aus. Bereits im Wahlkampf habe Dreyer angekündigt, bis Ende des Jahres alle Schulen mit WLAN auszustatten. Nun verweist die Ampel-Regierung auf eine 97-prozentige Erfolgsquote. Bis Ende des Schuljahres sollen „nahezu“ alle Schulen WLAN haben. Überdies seien zu wenige Gewerbebetriebe ans Glasfasernetz angeschlossen und der Empfang in einigen Regionen schlechter als in der Wüste, sagte der CDU-Parteichef.

Wirtschaft

Biotechnologie - das Prestigeprojekt der SPD - dürfe künftig nicht bloß in Mainz eine Rolle spielen, argumentiert die CDU. Auch bei der Kampagne für bessere Innenstädte müsse der Fokus weg von den Großstädten.

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