Ein Jahr Nationalpark im Hunsrück: Behördenchef im Interview zu Struktur, Bildung und Forschung

Erbeskopf · Das 10 000 Hektar große Schutzgebiet des Nationalparks Hunsrück-Hochwald erstreckt sich über zwei Bundesländer, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Es soll Schutzraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten sein, aber auch den Tourismus in der Region ankurbeln. Den Spagat, beiden Anforderungen gerecht zu werden, nimmt das Nationalparkamt auf sich.

Vor einem Jahr wurde eines der ambitioniertesten Projekte des Landes eröffnet: Der erste Nationalpark in Rheinland-Pfalz. Er umfasst eine Landschaft im Bereich oder in der Nähe der Einheitsgemeinde Morbach (Landkreis Bernkastel-Wittlich), der Verbandsgemeinden Thalfang (Bernkastel-Wittlich), Hermeskeil (Landkreis Trier-Saarburg), Birkenfeld, Herrstein (Landkreis Birkenfeld), Nonnweiler und Nohfelden (Landkreis St. Wendel/Saarland). Mitten drin liegen die Orte Börfink, Muhl, Thranenweier und Hujetsägemüle.

Der Nationalpark soll neben seiner Funktion als Schutzgebiet und Untersuchungsraum für die Wissenschaft auch die Infrastruktur der Region stärken und dem Fremdenverkehr Impulse geben. Wie sich der Park entwickelt hat und welche Herausforderungen es noch zu meistern gilt, darüber hat TV-Redakteur Hans-Peter Linz mit dem Leiter des Nationalparkamts in Birkenfeld, Harald Egidi, und dessen Mitarbeiter Sören Sturm gesprochen.

Thema Struktur

Inwieweit ist die Verwaltung des Nationalparks fest installiert? Hat sich die Arbeit in Birkenfeld eingependelt?
Harald Egidi: Der Nationalpark ist gegründet, doch er entwickelt sich erst. Das gilt für die Natur, aber auch für das Amt. Wir sind immer noch dabei, Personal zu rekrutieren, und stellen auch schon fest, wo noch nachgesteuert werden muss. Insgesamt war immer die Devise, möglichst wenig zusätzliche Kosten zu verursachen. Echte Neueinstellungen gibt es nur im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Umweltpädagogik, Kultur- und Landschaftsgeschichte sowie Forschung. Dabei handelt es sich in der Summe um drei volle Stellen. Wir haben noch drei weitere Stellen ausgeschrieben, bei denen derzeit die Auswahlphase läuft.

Gibt es noch Strukturen, die aufgebaut werden müssen?
Egidi: In einigen Themenfeldern zeigen sich schon jetzt gewaltige Anforderungen, etwa bei Nationalparktoren, Wegeplanung, Mobilität, Marketing oder Tourismus. Die Erwartungen sind sehr hoch.

Wie sieht das denn in anderen Nationalparks aus, zum Beispiel im Schwarzwald?
Egidi: Der Nationalpark im Schwarzwald hat bei gleicher Größe doppelt so viel Personal und doppelt so viel Investitionsmittel, baut ein Zentrum für circa 20 Millionen Euro. Demgegenüber haben wir im Hochwald von Anfang an deutlich gemacht, so weit es geht auf bestehende Substanz wie beispielsweise das Hunsrückhaus zurückzugreifen.

Thema Bildung

Welche Bildungsangebote gibt es zum Beispiel für Schulen und Kitas im Nationalpark?
Sören Sturm: Das ist ein ganz wichtiger Punkt für uns. Das Angebot haben wir Schritt für Schritt erarbeitet. Drei Angebote im Bereich Umweltbildung, drei eher im Bereich Kultur, dazu noch ein Angebot zum Berufsbild Ranger. Diese sieben Angebote sind kostenlos. Natürlich kann man auch weitere Wünsche äußern. Aber wie im Leben auch, kosten Sonderwünsche extra.

Was vermitteln Sie Kindern über Umwelt und Kultur?
Egidi: Es beginnt mit niedrigschwelligen Angeboten. Beispielsweise kann ich anhand der Wildkatze sehr gut ihre Anforderungen an die Natur deutlich machen und damit auch den Nationalpark vorstellen und erklären.
Sturm: Und wer als Lehrer mehr das Wechselspiel von Mensch und Natur außerhalb des Klassenzimmers vermitteln möchte, kann das beispielsweise anhand römisch-keltischer Geschichte tun. Fast jedes Kind kennt Asterix und Obelix. Und dass Cäsar auf dem Weg zu ihnen immer im Nationalpark war, wissen die wenigsten. Damit kann ich aber sehr gut Interesse wecken und Themen vermitteln.

Und wie wird das alles angenommen?
Egidi: Sehr gut. Kaum hatten wir das Angebot vorgestellt, lagen schon die ersten Anmeldungen vor. Die Auftaktveranstaltung für Lehrer und Erzieher war ausgebucht. Wir werden deshalb auch weitere Angebote entwickeln.
Sturm: Die Nationalpark-Akademie ist gutes Beispiel. Dort werden wir immer wieder den Blick in unsere "Werkstatt" anbieten. Jeden vierten Montag im Monat um 19 Uhr am Umweltcampus in Birkenfeld.

Wo finden denn die Angebote für Kinder und Jugendliche statt?
Egidi: Wir versuchen, sehr stark auf die zukünftigen Nationalparktore zu setzen. Da gibt es die entsprechende Infrastruktur mit Parkplätzen, Toiletten und Räumlichkeiten, falls es einmal regnet. Nichtsdestotrotz: Ziel ist es, die Menschen nicht lange in Räumen zu halten, sondern ihnen das Erlebnis draußen zu vermitteln.

Thema Nationalparktore


Inwieweit sind die Nationalparktore denn schon ertüchtigt?
Egidi: Wir haben einen Masterplan entwickeln lassen. Alle drei Tore werden dann unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Nationalpark plus Tierwelt an der Wildenburg, Nationalpark plus Pflanzenwelt und Landschaft am Hunsrückhaus und Nationalpark plus Geschichte am Keltenpark.
Sturm: Und das wird auch in unserem Programm schon jetzt entsprechend aufgegriffen. So gibt es die Junior-Wildkatzen-Tour an der Wildenburg und die Keltentour am Keltenpark. Nur so wird ein Profil klar, dass auch die Besucher von außerhalb sofort verstehen.

Beim Hunsrückhaus, das in die Jahre gekommen ist, stehen einige Reparaturen an. An der Wildenburg sieht es nicht viel besser aus. Und in Otzenhausen steht noch gar kein Empfangshaus, dafür aber ein Keltenpark ...
Egidi: Zuerst kommt das Hunsrückhaus an die Reihe, dann die Wildenburg und anschließend Otzenhausen. Am Keltenpark wird vorübergehend ein Kassenhäuschen stehen. Seit dem 1. Mai ist der Keltenpark durch die Gemeinde Nonnweiler geöffnet.

Am Erbeskopf drücken den Zweckverband große Defizite. Was passiert denn außer der Entwicklung neuer Angebote?
Egidi: Das Hunsrückhaus erhält vom Land in einem ersten Schritt jährlich eine Beteiligung von 150 000 Euro an den Betriebskosten. Langfristig soll es ganz vom Land übernommen werden.
Sturm: Man sollte auch noch einmal wiederholen, was bereits die Tourismusstudie aus dem Jahr 2014 betont hat. Ohne den Nationalpark wäre die Perspektive für diese Region im Tourismus kaum gegeben. Selbst mit dem Nationalpark wird es noch einiger Anstrengungen bedürfen. Da ist aber nicht nur der Nationalpark gefragt. Am Erbes kopf soll eben nicht nur Wintersport möglich sein, sondern auch in den drei anderen Jahreszeiten etwas geboten werden. Und die stark gestiegenen Besucherzahlen von 2014 auf 2015 zeigen auch die ersten Effekte. Nun muss das Angebot deutlich verbessert werden.

Aber nur durch mehr Rangertouren wird das Hunsrückhaus auch nicht attraktiver …
Egidi: Stimmt. Die Ausstellung im Hunsrückhaus soll erneuert werden. Die Mittel sollen sinnvoll eingesetzt werden.
Sturm: Die Didaktik der 1980er Jahre in der Ausstellung ist wirklich alles andere als einladend. Aber es gibt bereits einen Waldseilklettergarten, eine Sommerrodelbahn und einiges mehr.

Thema Forschung

Schwarzstorch, Wildkatze, Käfer, Pflanzen: Forschung ist ein weiterer Auftrag. Gibt es schon neue Erkenntnisse?
Egidi: Im ersten Schritt müssen wir den Status quo erfassen. Das gesamte Gebiet wird mit einem Stichprobennetz versehen. Wir zählen die Bäume, schauen wie hoch, dick und alt sie sind. Aus den Stichproben rechnen wir dann hoch, was sich tut. Das erfordert aber jahrzehntelange Arbeit.

Also gibt es noch keine neuen Einsichten?
Egidi: Doch. Eines haben wir schon herausgefunden: Es gibt im Nationalpark wesentlich mehr Moosarten als bekannt. Bei den Flechten hat man auch Arten gefunden, die sonst nur außerhalb Mitteleuropas vorkommen. Wenn wir Glück haben, wurde eine Art gefunden, die noch nicht beschrieben wurde. Sie wurde sozusagen hier erst entdeckt!

Wie zählt man denn ein scheues Tier wie eine Wildkatze?
Egidi: Das haben wir uns auch gefragt und uns mit Experten ausgetauscht. Wir können Pfähle mit Baldrian aufstellen, um sie anzulocken und dann Haarproben zu entnehmen. Manchmal muss man sich etwas einfallen lassen.

Was wird sonst noch erforscht?
Egidi: Fledermäuse, Moore, Flechten, Kohlenstoffbindungen und einiges mehr. Es hat sich ein Netzwerk aus gut 20 Forschungseinrichtungen gebildet, die den Nationalpark untersuchen. Viele Studenten wollen ihre Bachelor- und Masterarbeiten über den Park schreiben.Mehr zum Thema

Reportage: Unterwegs im Nationalpark
Interview mit Nationalpark-Behördenchef Harald Egidi und Sören Sturm über die Entwicklung des Schutzgebiets
Kommunen: Stimmen zur Entwicklung der Nationalpark-Region
Tourismusexperten: Chancen und Herausforderungen bei der Vermarktung ihrer neuen Attraktion

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