Ein Konzept ohne Startschuss

Luxemburgische Azubis in deutschen Betrieben sind eine Ausnahme. Noch, denn eine Initiative der heimischen Wirtschaft möchte mehr Austausch zwischen den Grenzen und so Engpässe auf dem Arbeitsmarkt lösen.

Welschbillig/Trier/Luxemburg Yuri Hittert ist ein Exot. Nicht, weil er mit 23 in der Tischlerei Hubert Schmitt in Welschbillig (Kreis Trier-Saarburg) eine Ausbildung absolviert. Sondern weil er als Luxemburger Azubi in Deutschland arbeitet.
Für gewöhnlich sind die rund 30 000 Grenzpendler aus der Region nach Luxemburg im Blick der Wirtschaft und Politik, doch dass in Eifel, Hunsrück und Trier mehr als 1100 Lehrstellen unbesetzt sind, lässt die Verantwortlichen nun auch immer wieder nach Belgien, Frankreich und nicht zuletzt Luxemburg blicken. Allerdings ist noch lange nicht überall ein Weg, wo auch ein Wille ist. "Seit mehr als 15 Jahren sind wir in Belgien und Lothringen aktiv, um junge Leute zur Ausbildung in die Region zu bringen", sagt Trier-Saarburgs Landrat Günther Schartz. Das Ergebnis sei bislang mager. Neue Ideen für eine grenzüberschreitende Ausbildung seien daher willkommen.
Und so gibt es zwar monatlich Berufsberatungen für eine Ausbildung im Nachbarland. "Aber ich bin nicht so stark gefragt wie mein Luxemburger Kollege", sagt Anette Monzel, Berufsberaterin des Trierer Eures-Teams der Arbeitsagentur. Luxemburger Jugendliche interessierten sich schon für Ausbildungen in Deutschland, aber meist in Branchen, in denen Luxemburg gar nicht ausbilde. "Tierpfleger, Landwirtschaftsgärtner, Apothekengehilfe, aber auch Kranken- und Altenpfleger werden regelmäßig nachgefragt", sagt die Beraterin. Ob es dann zu einer Ausbildung in Deutschland kommt, weiß sie nicht. "Denn der bürokratische Aufwand ist recht hoch. Zeugnisse müssen überprüft und anerkannt werden, und meist ist die Berufsschule weit weg, beim Tierpfleger in Baden-Württemberg." Auch spreche die fehlende Mobilität meist gegen eine Ausbildung in Deutschland.
Yuri Hittert ist auch hier eine Ausnahme. Zwei Jahre lang ist der junge Mann aus Düdelingen in Luxemburg jeden Tag 150 Kilometer zur Arbeit gefahren. Nun, im dritten Lehrjahr, wohnt er in Bitburg. "Er hat noch nicht eine Stunde in den zwei Jahren gefehlt", lobt Tischlerei-Chef Hubert Schmitt. Sein Azubi komme in dem gut 50-Mann-Team gut zurecht und zeige handwerkliches Geschick. "Wir haben ihm eine Chance gegeben, und er hat sie ergriffen", sagt Schmitt, der mit seinem Betrieb rund 80 Prozent seines Umsatzes mit Luxemburger Kunden wie Banken, Kommunen, Schulen und Privatleuten macht.
Dass der Azubi auch bei seinen Landsleuten ein Sonderfall ist, führt der junge Handwerker auf "fehlendes Wissen und Bequemlichkeit zurück. "Viele wissen von der Möglichkeit einer Ausbildung in Deutschland gar nichts, es wären aber auch nicht viele Luxemburger bereit, so weit zu fahren", ist er sich sicher. Einen neuen Anreiz will Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier unternehmen und gemeinsam mit dem deutschen Botschafter in Luxemburg, Heinrich Kreft, und dem luxemburgischen Botschafter in Berlin, Georges Santer, für mehr Luxemburger in einer Ausbildung in Deutschland werben. "Es gibt ein Konzept, aber noch keinen Startschuss", sagt Glockauer, der etwa 25 regionale Betriebe an der Hand hat, die junge Luxemburger in ihren Betrieben ausbilden wollen.
Dazu müssten allerdings Gesetze geändert werden, um Jugendlichen auch finanziell einen Anreiz zu geben. Denn das soziale Mindesteinkommen in Luxemburg liegt derzeit bei rund 1950 Euro. Und der Staat müsste das deutsche Azubi-Gehalt aufstocken, damit der Anreiz groß gernug wäre. Zwar sieht Karin Meyer vom Luxemburger Bildungsministerium eher Betriebe und Jugendliche in der Pflicht ("Die Regierung hat alle gesetzlichen Weichen für mehr grenzüberschreitende Ausbildung gestellt."), doch ein Mehr an betrieblicher Ausbildung kommt auch bei der Luxemburger Wirtschaft an: "Wir stehen noch stärker unter dem Druck der Akademisierung als Deutschland. Von daher ist ein Mehr an betrieblicher Ausbildung ein Muss", sagt Roger Thoss, Geschäftsführer Ausbildung bei der Luxemburger Handelskammer, Chambre de Commerce. "Wir stehen parat", heißt es daher von der IHK Trier.
Yuri Hittert arbeitet auch weiter gern für die Schreinerei Schmitt in Welschbillig. Dass er finanziell im Vergleich zu seinen Landsleuten im Großherzogtum schlechter gestellt ist, kümmert ihn kaum. "Erstens gibt's nicht so viele Lehrstellen wie in Deutschland. Von daher bin ich froh zu arbeiten. Außerdem komme ich mit meinem Azubigehalt und einem kleinen Zuschuss von zu Hause gut klar", sagt er. Dass er mit seiner Ausbildung auch im Großherzogtum ein gefragter Mann wäre, ist ihm klar, er nimmt's allerdings gelassen: "Mir gefällt es in Deutschland ganz gut. Vielleicht bleibe ich."Extra: LUXEMBURGER JUGENDLICHE AUF DEM ARBEITSMARKT


Unter einer grenzüberschreitenden Ausbildung versteht man eine duale berufliche Ausbildung, bei der der schulische Teil im Ausland absolviert werden kann. Luxemburg hat dazu 2008 eine Großherzogliche Verordnung erlassen. In Deutschland gibt es mit dem Berufsbildungsgesetz von 2005 die Möglichkeit, bis zu 25 Prozent einer Ausbildung in einem ausländischen Betrieb zu absolvieren. Schaut man sich die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen in Deutschland und Luxemburg an, so hat die Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA) ermittelt, dass die Arbeitslosenquote bei 15- bis 24-Jährigen in Luxemburg im Jahr 2015 bei 6,1 Prozent und in Rheinland-Pfalz bei 3,8 Prozent lag. In Zahlen ausgedrückt hat sich in den vergangenen zwölf Jahren die Zahl junger Menschen ohne Job im Großherzogtum verdoppelt, in Rheinland-Pfalz dagegen nahezu halbiert. Weitere Auffälligkeiten bei den Luxemburger Jugendlichen laut der IBA: Aus mehreren Studien ergibt sich, dass von den bei der Arbeitsverwaltung registrierten Jugendlichen "nur fünf Prozent einen Abschluss einer weiterführenden Schule besaßen, während fast die Hälfte der jungen Arbeitslosen lediglich die minimale Schulpflicht erfüllt hat", berichtet das großregional arbeitende Institut. Außerdem sind ausländische Jugendliche häufiger arbeitslos in Luxemburg als gebürtige Luxemburger, vor allem Jugendliche aus portugiesischen Familien. Weiteres Manko laut der IBA: Viele Luxemburger Arbeitgeber fordern eine Mehrsprachigkeit von Französisch, Deutsch und Englisch, Anforderungen, die junge Arbeitslose meist nicht erfüllen.

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