Ein paar Rebflächen zusätzlich und ziemlich viel Wallung

Mainz/Trier · Wie stark soll die Weinanbaufläche in Deutschland künftig jährlich wachsen dürfen? Darüber haben gestern die rheinland-pfälzischen Abgeordneten gestritten, obwohl sie eigentlich auf einer Linie sind. Die Entscheidung fällt allerdings nicht in Mainz, sondern heute in Berlin.

Ein Winzer bewirtschaftet seine Steillage in der Verbandsgemeinde Schweich. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Mainz/Trier. Die Europäische Union lockert ab dem kommenden Jahr den vor vier Jahrzehnten verhängten Anbaustopp für Wein. Ab 2016 dürfen die Mitgliedsstaaten ihre Anbaufläche um bis zu einem Prozent jährlich vergrößern. Theoretisch. Denn längst nicht überall stößt die Liberalisierung auf Begeisterung. Mehr Anbaufläche bedeutet mehr Wein und damit womöglich fallende Preise, befürchten einige Winzer.
Die Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Weinbauverbände hat sich deshalb für ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent im ersten Jahr ausgesprochen. Die für Weinwirtschaft bundesweit führende Industrie- und Handelskammer Trier dagegen könnte gut mit einem Plus von einem Prozent jährlich leben; ebenso sehen es die Vertreter aus den ostdeutschen Bundesländern.
Nach einigem Hickhack und monatelangen Diskussionen haben sich die Protagonisten nun auf einen Kompromiss geeinigt: Dann soll die Ausweitung der Rebflächen in Deutschland auf 0,3 Prozent im Jahr begrenzt werden. Bei einer Gesamtanbaufläche von rund 100 000 Hektar entspräche dies einer jährlichen Ausweitung um 300 Hektar, einer Fläche von etwa 400 Fußballfeldern (siehe Extra). Die entsprechende Gesetzesänderung soll heute gegen Mitternacht im Bundestag verabschiedet werden. Wohl reine Formsache: Im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft wurde der Beschluss am Mittwoch einstimmig gefasst.
Parallel dazu debattierte auf Antrag der rheinland-pfälzischen Grünen auch der Mainzer Landtag über das Thema. Und hier war von der parteiübergreifenden Einigkeit der Bundestagskollegen denn auch nichts mehr zu spüren. Womöglich hinterließ der schon seit Monaten tobende Wahlkampf mal wieder seine Spuren.
Rot-Grün und CDU-Opposition warfen sich einmal mehr gegenseitiges Versagen vor und reklamierten den 0,3-Prozent-Kompromiss für sich. "Es tut euch doch weh, dass es uns gelungen ist, den Kompromiss hinzubekommen", giftete etwa die Pfälzer CDU-Abgeordnete Christine Schneider in Richtung Regierungsbank: "Ihr habt versagt."
Von der Erfolgsgeschichte des deutschen Weinlands Nummer eins - natürlich dank Unterstützung der Landesregierung - schwärmten Wolfgang Schwarz (SPD) und der Grüne Dietmar Johnen (Vulkaneifelkreis).
Landwirtschaftsministerin Ulrike Höken (Grüne) sprach von einem Kompromiss, mit dem man leben könne. Die südlichen Länder hätten schon heute Überkapazitäten. Dass die Fassweinpreise zuletzt um ein Drittel gefallen seien, zeige, wie sensibel der Markt auf höhere Mengen reagiere, sagte die Ministerin. Ein Plus von 0,3 Prozent bedeute 2,4 Millionen Liter Wein zusätzlich. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Peter Bleser (CDU), sagte, mit der verhaltenen Ausweitung der Anbaufläche würden die Interessen von Rheinland-Pfalz geschützt.Extra

In Deutschland gibt es 100 000 Hektar Weinbaufläche. Das entspricht etwa 40 Prozent der Fläche des Saarlands. Zweidrittel dieser Fläche wird in Rheinland-Pfalz bewirtschaftet. Das größte Weinanbaugebiet ist Rheinhessen (26 500 Hektar) vor der Pfalz (23 600) und Baden (15 800). Das Anbaugebiet Mosel steht mit 8800 Hektar auf Platz fünf. An Mosel, Saar und Ruwer gibt es noch etwa 2700 Winzer. Die wichtigste Rebsorte ist der Riesling. sey