Ein Politiker aus einer anderen Welt

Trier · Er regierte Rheinland-Pfalz in einer Zeit des Umbruchs, liebte Kunst und Kultur und war bis zuletzt ein respektierter Ratgeber für die rheinland-pfälzische CDU: Der ehemalige Landeschef Carl-Ludwig Wagner starb am Freitag mit 82 Jahren in Trier.

Trier. Er war, gemessen an vielen seiner Nachfolger, ein Politiker aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit: gebildet, kulturinteressiert, rhetorisch gewandt, weltläufig. Einer, der sich mit französischen Philosophen und deutschen Komponisten ebenso gut auskannte wie mit Haushaltsrecht und Landesverfassung.
Carl-Ludwig Wagner, den sie in Kreisen seiner politischen Freunde respektvoll "Ca-Lu" nannten, war nicht das, was man einen klassischen "Partei-Mann" nennt. Ein Wertkonservativer ohne Frage, aber kein Wadenbeißer, der seine Selbstbestätigung im Kleinkrieg mit dem politischen Gegner sucht. Obwohl er auch seine wilden Jahre als Jung-Abgeordneter im deutschen Bundestag hatte.
Er wäre, ohne Frage, ein herausragender Europapolitiker geworden. Aber das politische Schicksal forderte ihn an anderer Stelle. Nach gerade mal sieben Jahren in Bonn holte ihn die junge Generation der Trierer Christdemokraten 1976 als Oberbürgermeister nach Hause zurück, um der erstarrten Trierer Nachkriegs-CDU neue Impulse zu verleihen.
Wagner, alles andere als ein Schönwetter-Politiker, fand festgefahrene Strukturen und eine höchst problematische Haushaltslage vor. Für Glanz und Glamour war wenig Zeit, gefragt war der Sanierer. Es blieben ihm nur drei Jahre, bis Bernhard Vogel ihn, in politischen Nöten, als Justizminister nach Mainz holte.
Es war die letzte Phase einer Ära, in der Trier einen elementaren Einfluss auf die Landespolitik hatte. Wagner reihte sich ein in die Phalanx der Holkenbrink, Theisen, Langes, Kutscheid, die in Mainz an den Schaltstellen der Macht saßen. Er fand im Finanzministerium eine ideale Wirkungsstätte, die ihm erlaubte, überall maßgeblich mitzureden, ohne ganz vorne im Rampenlicht zu stehen. Eine Konstellation, die sich für Trier auszahlte: Der Ausbau der Uni, die Theaterfinanzierung, die Europäische Kunstakademie, aber auch viele Einzelmaßnahmen im Zuge des Stadtjubiläums entstanden im stillen Zusammenwirken zwischen dem Rathaus am Augustinerhof und dem Minister in Mainz.
Dass Wagner letztlich doch in vorderster Linie landete, war am wenigsten seinem eigenen Zutun zu verdanken. Nach dem "Königsmord" an seinem Freund Bernhard Vogel ("Gott schütze Rheinland-Pfalz") war er der einzige führende Christdemokrat im Lande, dessen persönliche Integrität noch so intakt war, dass man ihn zum Nachfolger des Ministerpräsidenten wählen konnte.
Wagner ließ sich, wie so oft, in die Pflicht nehmen, nahm nach drei Jahren im Amt sogar eine ungeliebte "Tandem"-Konstellation mit Vogel-Intimfeind Hans Otto-Wilhelm für die Landtagswahl 1991 auf sich.
Der Rest ist schnell erzählt: Die CDU verlor mit Pauken und Trompeten, Wagner wurde von seiner Landespartei recht schnöde aufs Altenteil geschickt. Bernhard Vogel, inzwischen Ministerpräsident in Thüringen, holte ihn als Aufbauhelfer Ost in seine Landesbank.
Den Ruhestand verbrachte Carl-Ludwig Wagner mit seiner Frau Lore in seinem von Büchern und Bildern überquellenden Haus in Trier-Ruwer - und häufig auch im geliebten Trierer Theater, dessen Freundeskreis er bis zu seiner schweren Erkrankung vorstand. In der CDU der Region blieb er bis zuletzt ein respektierter Ratgeber, der sich aus den Alltagsgeschäften und -personalien freilich schon seit Jahren konsequent heraushielt. Dieter Lintz
Extra

Stationen seines Lebens: 1930 in Düsseldorf geboren, die Schulzeit in Trier endete 1949 mit dem Abitur. 1957 nach dem Jura-Studium in Mainz Mitarbeiter der Landesverwaltung und dann zehn Jahre beim Europäischen Parlament in Luxemburg tätig. 1969 bis 1976 als Trierer Wahlkreisabgeordneter für die CDU im Deutschen Bundestag. 1976 als Nachfolger von Josef Harnisch zum Trierer Oberbürgermeister gewählt. 1979 von Bernhard Vogel als Justizminister nach Mainz berufen, 1981 Wechsel ins Finanzressort. 1988 bis 1991 Ministerpräsident einer schwarzgelben Koalition, die bei der Landtagswahl ihre Mehrheit an Rudolf Scharping verliert. 1989 Verleihung des Trierer Franz-Weissebach-Preises. 1992 bis 1997 Chef der Landes-Aufbaubank im Neu-Bundesland Thüringen. 1993 bis 2010 Vorsitzender des Vereins der Theaterfreunde Trier. DiLExtra

Julia Klöckner, CDU-Landtagsfraktionschefin: "Die CDU verliert einen anerkannten Christdemokraten, der die politische Entwicklung unseres Bundeslandes nachhaltig mitbestimmt und geprägt hat. Ehrlichkeit und Gradlinigkeit waren die beiden wichtigsten Grundsätze des promovierten Juristen." SPD-Landtagsfraktionschef Hendrik Hering: "Carl-Ludwig Wagner hat mit dafür gesorgt, dass Rheinland-Pfalz heute über so viele gute partnerschaftliche Beziehungen mit Regionen in der ganzen Welt verfügt. Mit seiner vermittelnden und moderierenden Art hat sich Wagner eine große Anerkennung weit über Parteigrenzen hinaus erworben." FDP-Bundestagsfraktions chef Rainer Brüderle: "Carl-Ludwig Wagner hat wie kaum ein anderer zu positiven Veränderungen in unserem Bundesland beigetragen, immer aber auch unter Wahrung seiner regionalen Identität." Bernhard Kaster, Vorsitzender der CDU Trier: "Mit ihm verliert die CDU Trier ein großes Vorbild als Politiker und Mensch. In seiner Persönlichkeit hat er Kompetenz, hohes Engagement mit feinem Humor und Bescheidenheit verbunden." dpa/red

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