Ein selbstloser Idealist

Washington · Die Ermordung von Steven Sotloff durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wird nach Worten von US-Präsident Barack Obama nicht ungesühnt bleiben. Ein Porträt des amerikanischen Journalisten.

Washington. In der Behelfsklinik des Camps Atmeh, schrieb Steven Sotloff über ein Flüchtlingslager im Norden Syriens, "sind es keine Bomben, die töten. Es ist der Mangel an Medikamenten und angemessener Hygiene". In den Trümmern Aleppos schilderte der Journalist die Warteschlangen der Hungrigen, die sieben Stunden anstehen mussten, um eine Tüte Fladenbrot zu ergattern. Er schrieb von Menschen, die "fürchten, dass sie nur Statisten sind in einem Krieg, der kein Ende zu kennen scheint".
Sotloff war kein Kriegsreporter, der des Nervenkitzels wegen von Konflikt zu Konflikt eilte, um sofort wieder abzureisen, wenn sich der Pulverdampf verzogen hatte. Der 31-Jährige, so charakterisiert ihn Ishaan Tharoor, Redakteur des Magazins Time, war ein stiller, gründlicher Beobachter, der in die Tiefe gehen wollte mit seinen Geschichten. Aus einer jüdischen Familie in Miami stammend, war er fasziniert von der islamischen Welt.
In Libyen schilderte Sotloff, feinen Humor in seine Texte gestreut, den bizarren Versuch, die Rebellen des Aufstands gegen Muammar al-Gaddafi nach dem Sieg zur Waffenabgabe zu bewegen, in dem man ihnen iPads im Tausch für ihre Flinten anbot. In Kairo berichtete er aus dem Protestcamp der Moslembrüder, die sich gegen die Entmachtung des Präsidenten Mohammed Mursi auflehnten. Ein ägyptischer Kollege hatte ihm dringend abgeraten, sich dort blicken zu lassen. Es nutzte nichts. Emerson Lotzia, an der University of Central Florida einst ein Kommilitone, skizziert den Reporter als einen, der für seinen Beruf brannte.
Ein selbstloser Idealist - so charakterisierte Shirley Sotloff ihren Sohn. Vor wenigen Tagen hatte sich die Lehrerin in einer Videobotschaft direkt an Abu Bakr al-Baghdadi gewandt, den Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Steven, betonte sie, sei in den Nahen Osten gereist, um zu dokumentieren, wie Muslime unter dem Regime von Tyrannen litten. "Er hat immer versucht, den Schwachen zu helfen." Umso schockierender wirken die Bilder der Enthauptung, wie sie amerikanische Fernsehsender in kurzen Ausschnitten zeigen. Ein Maskierter, der über seinem im Sand kauernden Opfer thront, in der Hand ein Messer, das er ihm an die Kehle setzt. Das Englisch des Henkers lässt auf britische Herkunft schließen.
Freiberuflich für die Zeitschriften Time und Foreign Policy tätig, war Sotloff im August 2013 im Norden Syriens entführt worden. Die Öffentlichkeit erfuhr jedoch erst von seinem Schicksal, als ein Henker des Islamischen Staats im August dem Journalisten James Foley den Kopf abschnitt und damit drohte, mit Sotloff einen zweiten Amerikaner umzubringen, falls Obama die Luftangriffe im Irak nicht stoppte.
US-Präsident Obama sagte, dass sich sein Land von einer Terrormiliz nicht einschüchtern lasse. "Was immer diese Mörder zu erreichen glaubten, indem sie unschuldige Amerikaner wie Steven töteten", sie seien bereits gescheitert, denn ihre Barbarei stoße die Menschen nur ab. "Wir werden für Gerechtigkeit sorgen", kündigte er Vergeltung an.

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