Ein Stein für jedes Opfer

TRIER. Seit Mitte der 90er Jahre verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig seine Stolpersteine in ganz Deutschland. Die mit Messing beschlagenen und mit eingravierten Namen versehenen Pflastersteine liegen an Orten, wo im Nazi-Regime Deportierte und Ermordete einst gewohnt haben. Nun soll es auch in Trier Stolpersteine geben. Das Erinnerungs-Projekt stellte die Arbeitsgemeinschaft Frieden in Kürenz vor.

Die Schüler der fünften Klasse des August-Viktoria-Gymnasiums sind fasziniert von dem kleinen Pflasterstein mit dem glänzenden Messingschild. "Ist das Schild aus echtem Gold?", fragt ein kleines Mädchen Thomas Zuche von der Arbeitsgemeinschaft Frieden und dem AGF-Arbeitskreis "Trier in der NS-Zeit". "Nein, Gold wäre viel zu weich", entgegnet Zuche. Der Stein ist ein Muster, gefertigt von dem Kölner Künstler Gunter Demnig.Auf dem Messingschild ist eingraviert: "Hier wohnte", dann der Name einer Frau, wann sie deportiert wurde und wann sie im Konzentrationslager starb.

Die ersten Stolpersteine verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig noch illegal und ohne die Erlaubnis der Stadt Köln. Heute gibt es schon etwa 3000 Stolpersteine deutschlandweit. Sechs sollen in Kürenz in den Boden eingelassen werden - direkt dort, wo früher die Eingangstür des so genannten Judenhauses war. "Sie sollen innehalten lassen und mit Namen und Ort an die Personen erinnern, die deportiert und ermordet wurden", sagt Markus Pflüger von der AG Frieden. Wirklich physisch stolpern solle allerdings niemand - die Steine würden absolut ebenerdig angebracht.

Mit Namen der Deportierten

"Die Juden wurden während des Nazi-Regimes aus ihrem Familien- und Freundeskreis herausgerissen", sagt der Historiker Thomas Schnitzler. Darum seien sie in Gettos oder gesonderten Häusern zusammengepfercht worden, wo sie auf ihren Abtransport in die Konzentrationslager warten mussten. Ein solches Haus war das Gebäude in der Domänenstraße 31 in Trier-Kürenz. Dort, wo es stand, ist heute ein Parkplatz, in der Nähe steht ein Altglascontainer, Autos fahren schnell vorbei - nichts erinnert mehr an das "Judenhaus", denn nach dem Krieg, im Jahr 1952, wurde es abgerissen.

Bis Mitte der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Haus an der Ecke zur Brühlstraße ein freundlicher Ort, ein Krämerladen, den die Witwe Lina Baum zusammen mit ihrem Verwandten Moses Heimann führte. "Sie waren überall im Viertel beliebt", erinnert sich die Kürenzerin Katharina Thömmes, die die Kriegsjahre in Kürenz als Kind erlebte. "Doch auf einmal durften wir nicht mehr mit Frau Baum und den Kindern sprechen, und eines Tages sah ich, wie sich Frau Baum weinend von meiner Mutter verabschiedete", erzählt Katharina Thömmes.

Lina Baum gab ihr Geschäft nach den Plünderungsanschlägen in der Reichspogromnacht im Jahr 1938 auf. Nach ihrem Fortgang wurde es von den Behörden zum "Judenhaus" umfunktioniert. Fünf neue Mieter wurden einquartiert, und da sie wie Moses Heimann zur Verwandtschaft der Hauseigentümerin gehörten, war der Zwangscharakter dieser Einquartierung für Nachbarn nicht gleich offensichtlich. Doch ab 1941 mussten Moses Heimann, Adele, Salomon, Else, Margarete und Pauline Reinhard Judensterne tragen. Sie wurden bald darauf deportiert. Pauline Reinhard wurde in Theresienstadt ermordet, alle anderen sind verschollen.

Die sechs Namen der Nazi-Opfer sollen nun in sechs Steinen verewigt werden. Dass die Stolpersteine jetzt auch nach Trier kommen, ist dem Engagement der Arbeitsgemeinschaft Frieden und des Kulturvereins Kürenz zu verdanken. "Für die Steine haben wir schon Paten gefunden", sagt Michael Zupan vom Kulturverein. Ein Stein kostet 95 Euro. Demnächst will der Künstler Gunter Demnig nach Trier kommen.

Die Erlaubnis, die Steine in Trier zu verlegen, bezeichnete Baudezernent Peter Dietze bei der Vorstellung des Projekts als "selbstverständlich", und man wolle den Künstler beim Legen der Steine unterstützen.

Sechs Steine machen den Anfang

Die sechs Stolpersteine in Kürenz sollen nur der Anfang sein. "In Trier gab es etwa 400 Opfer des Nazi-Regimes", sagt Thomas Kupczik. "Theoretisch können es also einmal mehrere hundert Stolpersteine sein."

Informationen zum Kürenzer Judenhaus sind bei der Sparkasse in Kürenz auf einer Stellwand ausgestellt. Weitere Informationen im Internet unter www.cuerenzia.de oder www.stolpersteine.com.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort