Ein Stück enger zusammengerückt

BERLIN. Die deutsch-französischen Beziehungen sind unter Kanzlerin Angela Merkel im Alltag angekommen. Beim ersten Ministertreffen ihrer Amtszeit im Kanzleramt wurden in entspannter Atmosphäre verkehrspolitische Abmachungen getroffen.

Man versteht sich - auf Englisch. Angela Merkel und Jacques Chirac standen locker parlierend hinter dem Tisch, an dem gerade ihre Außen- und Verkehrsminister feierlich zwei Abkommen unterzeichneten, und boten den Fotografen nette Motive. Die gute Nachricht dieses Teils des deutsch-französischen Kabinettstreffens gestern in Berlin: Mit dem Bau einer zweigleisigen Rheinbrücke bei Kehl für 23 Millionen Euro nimmt die Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland weiter Gestalt an. Die schlechte Nachricht, jedenfalls für Autofahrer: Frankreich und Deutschland tauschen künftig Informationen über Fahrzeughalter aus, um Verkehrsverstöße besser ahnden zu können. Einer fehlte in Berlin überraschend: Frankreichs Premier Dominique de Villepin. Er hat in Paris mit den Massenprotesten zu tun. Präsident Chirac stellte sich hinter ihn. Angela Merkel hörte bei diesem Thema aufmerksam zu. In Deutschland ist der Kündigungsschutz eines der nächsten Themen der großen Koalition. Ohnehin scheinen die gesellschaftlichen Prozesse im Nachbarland die deutsche Regierungschefin zu beschäftigen. Diskussion mit Jugendlichen geplant

Nach den heftigen Jugendkrawallen Ende vorigen Jahres um Paris hatte die Runde die Integration auf die Tagesordnung gesetzt. Auch hier zu Lande, sagte Angela Merkel, habe man zu lange übersehen, in welcher Lage zum Beispiel junge Türken seien. Das Erlernen der deutschen Sprache sei das Wichtigste. "Es besteht Handlungsbedarf", sagte Merkel. Gemeinsam vereinbarten sie und Chirac, dass sich der Europäische Rat Ende März mit der Beschäftigungssituation Jugendlicher in Europa befassen soll. Die Integrationsbeauftragten beider Länder sollen gemeinsame Jugend-Projekte vorantreiben. Und beim nächsten Treffen im Oktober in Paris wollen Merkel und Chirac selbst mit ausländischen Jugendlichen diskutieren, um etwas über deren Sorgen zu erfahren. "Freundschaft, Kooperation, gegenseitiges Vertrauen", mit diesen Worten kennzeichnete Merkel die Beziehungen. Die Details lieferten die Minister. So gibt es ab Sommer ein gemeinsames Geschichtsbuch für die gymnasialen Oberstufen. Die französischen Schüler buchen wieder vermehrt Deutsch als Fremdsprache, und in Deutschland lernen wieder mehr Schüler Französisch. Mit Bangen blicken beide Seiten auf ein außenpolitisches Ereignis: Die Entscheidung über einen gemeinsamen EU-Militäreinsatz im Kongo. In der Bundesregierung ist die Skepsis groß, während Frankreich sich stärker in der Pflicht sieht, dem Kongo am 18. Juni bei der geplanten Wahl zu helfen. Die schriftliche Erklärung, die gestern veröffentlicht wurde, ist denn auch gewunden: Deutschland und Frankreich "wünschen", dass die EU positiv auf die Anfrage der UN "antworten kann". Die Entscheidung soll fallen, wenn der EU-Außenbeauftragte Javier Solana von einer Erkundungsreise nach Kinshasa zurückgekehrt ist. Merkel: "Der Zeitpunkt rückt näher."

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