Ein trauriges Kapitel wird geschlossen

Der Schlussstrich unter jahrelange, schmerzhafte Auseinandersetzungen, die eine ganze Verbandsgemeinde lähmten: Das gelang der 1. Kleinen Strafkammer am Landgericht Trier. Ein Ende ohne Schrecken, das den guten Willen aller Beteiligter voraussetzte.

 Im Blickpunkt beim Landgericht Trier: Hans-Werner Schmitt. Foto: Friedemann Vetter

Im Blickpunkt beim Landgericht Trier: Hans-Werner Schmitt. Foto: Friedemann Vetter

Trier. Kerzengerade sitzt Hans-Werner Schmitt auf der Anklagebank. Hoch aufgerichtet, die Hände oft schützend vor der Brust verschränkt. In einem ruhigen, sachlichen Ton, umfassend und detailversessen schildert er seine Sicht der Dinge. Und genau da liegt das Problem. Zunächst mit Engelsgeduld, dann mit wachsender Ratlosigkeit versucht der Vorsitzende Richter Eberhard Speicher, Schmitt zu konkreten Aussagen in der Sache zu bewegen. Aber was immer er fragt, Schmitt holt bis Adam und Eva aus, blättert dann umständlich seine Erinnerungen auf, kommt von einem Detail aufs andere, bevor er dann irgendwo im Gewirr das eigentliche Thema aus den Augen verloren hat.Das ist offenkundig keine Taktik, und der 42-Jährige ist auch kein notorischer Schwätzer. Er will es nur ganz genau machen. Nur nichts auslassen, nur nichts vereinfachen. Ein "Hundertprozentiger" halt. Solche Leute gab es - und gibt es noch - in jeder Behörde, und in manchem Unternehmen auch. Ein bisschen autistisch, schwerlich in der Lage, auf andere einzugehen, aber gründlich und verlässlich. Und durchaus zu gebrauchen, so lange sie nirgendwo aufschlagen, wo Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit verlangt werden. Schmitt: Politik hat mich interessiert

Hans-Werner Schmitt könnte wahrscheinlich heute noch auf seinem Platz in der Verbandsgemeindeverwaltung Neuerburg sitzen. Vielleicht nicht extrem beliebt, aber respektiert. Und sicher um Welten entfernt von der Anklagebank in einem Landgericht, wo er sich unübersehbar fremd fühlt. Aber irgendwann kam er tragischerweise auf die Idee, Bürgermeister werden zu wollen. "Politik hat mich interessiert", sagt er dem Richter. Doch warum ausgerechnet jener Job, bei dem man Diplomat und Taktiker sein muss, Antreiber und Ermöglicher, Gratwanderer zwischen Verwaltungs-Chef und Partei-Dompteur? Und das ausgerechnet als unabhängiger Einzelkämpfer im politischen Pulverfass einer ländlichen Verbandsgemeinde, ohne Hausmacht, unter eifersüchtig wachenden Platzhirschen. Es hat, so wie sich das im Verfahren darstellt, im Grunde nicht gutgehen können bei dem, was da zusammenkam.Schmitt erzählt, was er alles "über sich ergehen lassen" musste, redet von "Anfeindungen", "Beleidigungen", seiner "Buhmann-Rolle" auch bei den Medien. Aber was er dann auf Nachfrage des Vorsitzenden berichtet, geht über das handelsübliche kommunalpolitische Geplänkel kaum hinaus. Schmitt konnte in diesem Spiel offenkundig nicht mitspielen, reagierte mit Ordnungsrufen und autoritärem Gehabe bei Sitzungen und gegenüber Mitarbeitern. "Es herrschte das reinste Chaos, Herr Vorsitzender", ruft er aus. Er hat es wohl tatsächlich so empfunden. Das Kommunalgeschehen in Neumagen-Dhron muss ein Horror gewesen sein, für beide Seiten. Und irgendwann hat Schmitt wohl das Gefühl dafür verloren, dass man sich an Regeln halten muss. Dass er einen Ausschuss illegal hat mitschneiden lassen, bestreitet er zunächst nachdrücklich. Aber da sind zu viele, zu unerklärliche Widersprüche. Für überzeugende Ausreden fehlt dem Angeklagten die Geschmeidigkeit. Und irgendwann, in einer Sitzungspause, verhilft ihm sein Verteidiger dann doch zur Vernunft.Schmitt zieht seine Berufung in der Sache zurück, was faktisch einem Akzeptieren des Tatvorwurfs gleichkommt. Nur beim Strafmaß hält er sie aufrecht, und das Gericht reduziert den Strafrahmen denn auch von 100 auf 90 Tage. Vielleicht aus der Einsicht heraus, dass da weniger ein Krimineller zugange war als ein Überforderter. Auch die Staatsanwaltschaft ist damit einverstanden, dem Angeklagten das zu ersparen, was man landläufig eine "Vorstrafe" nennt. So wird das Urteil sofort rechtskräftig. Und in Neumagen-Dhron kann endlich Ruhe einkehren. Chronologie einer Eskalation 2000: Hans Werner Schmitt gewinnt mit 60 Prozent die Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten Günter Eifel. 2002: Der VG-Rat lehnt den von Schmitt vorgelegten Nachtragshaushalt ab und übt Kritik an seinem Führungsstil. 2003: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Beleidigung, Missbrauchs des Notrufs und wegen Hausfriedensbruchs gegen Schmitt. Er wird später verurteilt. 2004: Hans Werner Schmitt und der erste Beigeordnete, Edgar Breit, geraten tätlich aneinander. 2005: Großer Krach im VG-Rat: Schmitt wird bezichtigt, keine Kritik zu dulden. Er befleißige sich eines Kasernenhoftones und Schrei-Orgien gegenüber Mitarbeitern. 2006: 15 Mitglieder des VG-Rates beantragen ein Abwahlverfahren gegen Schmitt. Auslöser ist der Vorwurf, Schmitt habe Teile einer Ausschuss-Sitzung aufzeichnen lassen. Wenige Monate später stimmen die Bürger der VG Neumagen-Dhron mehrheitlich für die Abwahl. 2007: Schmitt wird vom Amtsgericht wegen "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" zu 100 Tagessätzen verurteilt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort