"Ein völlig unumstrittener Heiliger"

Trier · Selbst in den eigenen Reihen findet der Vorstoß der nordrhein-westfälischen Linken, den Martinstag umzubenennen, keine Zustimmung. Die rheinland-pfälzischen Parteifreunde sehen in dem heiligen Martin sogar ein Vorbild für die heutige Gesellschaft.

Trier. "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne." So lautet der Refrain eines bekannten St.-Martin-Liedes, das in diesen Tagen bei den zahlreichen Laternen-Umzügen von Kindern gesungen wird. Geht es nach den nordrhein-westfälischen Linken, dann gibt das Lied künftig auch dem heutigen Martinstag seinen Namen. Wenn man statt Sankt Martin ein Sonne-Mond-und-Sterne-Fest feiern würde, fühlten sich mehr Kinder angesprochen und mitgenommen, sagte der Chef der dortigen Linken, Rüdiger Sagel, der Zeitung Rheinische Post in Düsseldorf.Muslime haben kein Problem


"Dazu braucht man keinen Sankt Martin, der dem Lichterzug auf dem Pferd voranreitet", sagte der Parteivorsitzende und begründet das mit der Rücksicht auf muslimische Kinder in Kindergärten. "Ihnen sollte man die christliche Tradition nicht aufdrängen", forderte der Politiker.
Doch genau diese Kinder hätten gar kein Problem damit, St. Martin im Kindergarten zu feiern, sagt Tahir Dogan. Er ist Sprecher der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Wittlich. Der Martinstag gehöre zur christlich-abendländischen Kultur. Dass in Kindergärten solche Tage gefeiert würden, trage zum interkulturellen Verständnis bei, sagt Dogan. Er wünscht sich allerdings, dass im Gegenzug auch über muslimische Feste wie etwa Ramadan im Kindergarten und Schulen gesprochen wird. Es gehe nicht darum, Kinder zu missionieren, sondern sie über die jeweilige andere Kultur aufzuklären. "Es kann doch für einen Kindergarten nur bereichernd sein, wenn man zusammen Feste unterschiedlicher Religionen feiert und so etwas über andere Kulturen und Religionen erfährt", sagt auch die Trierer Linken-Bundestagsabgeordnete Katrin Werner. Die rheinland-pfälzische Parteivorsitzende geht damit deutlich auf Distanz zu ihren nordrhein-westfälischen Kollegen.
"Für viele muslimische Familien in Wittlich stellt die Teilnahme am Martinszug einen selbstverständlichen Teil der Integration in die Gebräuche ihrer neuen Heimat dar", sagt Jan Mußweiler, Sprecher der Stadt Wittlich. In und um Wittlich leben gut 1500 Muslime, überwiegend Türken. In den städtischen Kindertagesstätten sei die interkulturelle Arbeit ein Bestandteil der täglichen Arbeit, sagt Mußweiler. "Selbstverständlich wird mit den Kindern das Fest des heiligen Martin auch in den Kitas gefeiert." Dabei liege der Schwerpunkt aber nicht in dem religiösen Aspekt, sondern in dem vorbildlichen Verhalten dieser Person - Stichwort: Teilen.
Tahir Dogan ärgert sich, dass die nordrhein-westfälischen Linken im Namen der Muslime sprechen. "Das ist nicht unsere Meinung." Er kenne keinen Muslim, der sich an den Martinsumzügen gestört habe. "Dürfen Muslime nicht selbst über ihre religiösen Empfindungen Auskunft geben, oder bedürfen sie der politischen Vormundschaft aus dem politischen Establishment", kritisiert auch der Trierer Historiker Stephan Laux den Vorstoß der Linken. Der Professor für geschichtliche Landeskunde hält den Martinstag für "den wohl unverfänglichsten aller christlichen Feiertage". "Er ist gewiss mehr Brauchtumstag als Fest im religiös-theologischen Sinne." Die dem heiligen Martin zugeschriebene Wohltat stehe sinnbildlich für ein soziales Verhalten, "das noch heutzutage völlig unumstritten" sei. Daher könnten sich mit St. Martin Angehörige aller Glaubens- und Konfessionsgruppen, samt Nichtgläubiger, identifizieren, sagt Laux.
"Teilen ist schön" hat das Bistum Trier eine aktuelle Kampagne zum Schutz des Martinstags genannt. "Sankt Martin ist viel mehr als Gänsebraten, Zuckerbrezeln und Sonne-Mond-und-Sterne", heißt es auf der Bistumsseite beim sozialen Netzwerk Facebook. Der frühere Soldat und spätere Bischof von Tours sei mit seinem Handeln auch heute noch ein Vorbild, heißt es beim Bistum. Es ruft die Leute dazu auf, an einem Martinszug teilzunehmen, seinen Mitmenschen etwas zu schenken oder abends ein Licht ins Fenster zu stellen, "um zu zeigen, dass die Botschaft des heiligen Martin auch im 21. Jahrhundert wichtig für unsere Gesellschaft ist". Den Gedenktag an den heiligen Martin (am 11. November 397 wurde er beerdigt) umzubenennen wäre "eine Verleugnung von Werten, ohne die unsere Gesellschaft nicht gut dastehen würde", sagt Bistumssprecher André Uzulis.
Auch die Trierer Linke KatrinWerner hebt die Bedeutung des Heiligen hervor: "St. Martin war ein Kriegsdienstverweigerer, er teilte seinen Reichtum mit den Armen und war gebürtiger Ungar, der Bischof in Tours, Frankreich, wurde. Es gibt nur wenige Heilige, die so ausdrücklich für eine offene, soziale und tolerante Gesellschaft stehen wie der heilige Martin."
Extra

Martin von Tours wurde um 316 im heutigen Ungarn geboren. Als Sohn eines römischen Offiziers wurde er als Jugendlicher zum Militärdienst verpflichtet. Mit 15 Jahren diente er in der Leibgarde Kaiser Konstantins II. Kämpfe zwischen Römern und Alemannen führten den Soldaten Martin ins heutige Frankreich. Dort soll sich um 334 die Szene zugetragen haben, die ihn zum Sinnbild für das Teilen gemacht hat. In Amiens soll er für einen armen, unbekleideten Mann seinen Militärmantel mit dem Schwert geteilt haben. Danach soll ihm Christus erschienen sein. Martin soll daraufhin verkündet haben, dass er kein Soldat des römischen Kaisers mehr sei, sondern Soldat Christi. Er wurde Mönch, lebte zurückgezogen und bekehrte Menschen zum Christentum. 372 wurde Martin zum Bischof von Tours geweiht. Als Bischof war er häufig in Trier. Unter anderem protestierte er dort gegen die Hinrichtung eines wegen Ketzerei angeklagten spanischen Theologen, und später setzte er sich für Anhänger des getöteten Kaisers Gratian ein. Martin starb am 8. November 397. Am 11. November wurde er beerdigt.Kindernachricht: Das Martinsfest

"Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne!" Kennst du das Lied? Du kannst es oft am Martinstag hören. Der ist am 11. November. Nach altem Brauch ziehen rund um den Tag Kinder und Erwachsene mit Laternen durch die Straßen. Sie erinnern an den heiligen Martin und singen unter anderem das Laternen-Lied. Sankt Martin oder kurz St. Martin war ein Bischof, der vor vielen Hundert Jahren in Tours lebte. Das ist heute eine Stadt in Frankreich. Martin soll ein guter und bescheidener Mensch gewesen sein. Eine Geschichte erzählt: Als einfacher Soldat hat er in einer kalten Winternacht seinen Mantel mit einem nackten Bettler geteilt. Dazu soll er das Gewand einfach mit seinem Schwert geteilt haben. Auch als Bischof verehrten ihn die Leute, weil er sich um die Armen und Kranken kümmerte. Nach seinem Tod wurde Martin heiliggesprochen. Am 11. November soll Sankt Martin beerdigt worden sein. Deswegen wird an dem Tag, also heute, an ihn erinnert und auch daran, dass man Gutes tun soll. dpa

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