Eine Abenteurerin auf Mission

BOPPARD. "Frauen haben in der Kirche zu wenig Einfluss", beklagt Schwester Lea Ackermann. Dennoch hat die 66-Jährige bereits viel in ihrem Leben bewirkt. All ihre Zeit und Energie steckt sie seit Jahren in ihre Organisation "Solwodi". Die hilft Frauen, die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution geworden sind.

Ein Interview aus dem Stand? Für Schwester Lea kein Problem. "Ich bin gerade erst aus Kenia zurückgekehrt und noch so voller Eindrücke", schwärmt die promovierte Ordensfrau. Im Laufe der Jahre ist sie zu einem echten Medien-Profi geworden. Egal, ob in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger, im Radio Vatikan oder als Rednerin auf Tagungen - Schwester Lea Ackermann ist ein gefragter Gast. Ihr Spezialgebiet: Frauen, die Opfer von Menschenhandel oder Zwangsprostitution geworden sind. Ihr Engagement für diese Frauen begann vor knapp 20 Jahren in Kenia. "1985 war ich von meiner Gemeinschaft nach Mombasa geschickt worden, um dort Lehrerinnen auszubilden", erzählt Schwester Lea. Schnell merkte sie, dass ihre Hilfe an anderer Stelle stärker benötigt wurde. "Die Schülerinnen, die die Schulen besuchten, gehörten zu den wenigen Ausgebildeten und konnten sich auch noch weiterbilden. Hingegen war die große Masse der Bevölkerung völlig ungebildet und hilflos." Also beschloss sie, sich um die Menschen am Rande der Gesellschaft zu kümmern. "Und das sind Frauen und Kinder. Die Frauen, die völlig isoliert sind, das sind die Prostituierten." Um diesen Frauen effektiv helfen zu können, gründete sie 1985 den Verein "Solwodi" (Solidarity with women in distress, zu deutsch: Solidarität mit Frauen in Not). "Das beste Mittel, um Armut zu bekämpfen, ist Bildung. Ohne Bildung gibt es auch keine Entwicklung", weiß Schwester Lea. Der Verein berät Frauen, bildet sie in verschiedenen Berufen aus oder gibt ihnen Starthilfen, damit sie sich eine eigene Existenz beispielsweise als Schneiderin oder Friseurin aufbauen können. Doch gerade in den Anfängen kamen viele Frauen nicht von selbst zu "Solwodi". Schwester Lea sprach Prostituierte auf der Straße, in Cafés und Restaurants an und versuchte ihnen klar zu machen, dass sie eine andere Möglichkeit haben, sich und ihre Familien zu ernähren. Auch heute müssen die Mitarbeiterinnen von "Solwodi" noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Als Schwester Lea 1988 wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, stellte sie mit Schrecken fest, dass "mittlerweile viele afrikanische Frauen nach Deutschland gebracht wurden". Als ausländische Ehefrauen, illegale Arbeitnehmerinnen und ausländische Prostituierte leben sie in diesem reichen Land - sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich ohne jeglichen Schutz. Mit "Solwodi" den Kampf aufgenommen

Der Kampf von Schwester Lea ging somit in Deutschland weiter. Als immer mehr Opfer von Schlepperbanden und Zuhältern zu ihr gebracht wurden, gründete sie 1988 auch in Deutschland den gemeinnützigen Verein "Solwodi". "Damals hatte in Deutschland noch kaum jemand von Frauenhandel gesprochen, und Sex-Tourismus war erst am Rande ein Thema", erinnert sich die engagierte Ordensfrau. "Ich wollte die Aufmerksamkeit auf diese schrecklichen Verbrechen lenken und bewusst machen, was sich vor unseren eigenen Haustür abspielt. Das ist Lea Ackermann gelungen. Solwodi hat in Deutschland mittlerweile acht Beratungsstellen, die sich um ausländische Frauen kümmern. In den vergangenen Jahren haben die "Solwodi"-Mitarbeiterinnen über 90 Migrantinnen zu Prozessen gegen ihre Zuhälter oder Menschenhändler begleitet. Infos: www.solwodi.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort