Einer jubelt, einer grantelt: Rheinland-pfälzische CDU wählt Landesliste für Bundestagswahl

Kaiserslautern/Arzfeld · Sonnenschein trotz Fritz-Walter-Wetter: Der Vulkaneifeler Patrick Schnieder führt die Landes-CDU in den Bundestagswahlkampf. Mitgefühl weckt bei ihm ein schlechtes Ergebnis.

Schüttet es in Kaiserslautern aus Kübeln, redet in der 98.500-Einwohner-Stadt kaum ein Mensch von Regen. Lieber sagt der Pfälzer: Das ist richtiges Fritz-Walter-Wetter. Denn das Heldenepos des längst verstorbenen Fußballers, der Deutschland als Kapitän 1954 zum Weltmeistertitel führte, reicht bis in die Gegenwart. Weit bis in die Vertreterversammlung der rheinland-pfälzischen CDU hinein. "Ist das ein Fritz-Walter-Wetter heute", sagt der Fraktionsvize Christian Baldauf, als er die Parteimitglieder am Wochenende durchnässt und mit aufgeklappten Regenschirmen in die Halle strömen sieht.

Doch ein gebürtiger Vulkaneifeler trotzt an dem Tag dem Regen und lacht wie der strahlende Sonnenschein. Der 2,02-Meter-Hüne Patrick Schnieder, der scherzhaft "Eifelturm" genannt wird, fährt in Kaiserslautern einen großen Sieg ein. Er führt die rheinland-pfälzische CDU als Kapitän in den Bundestagswahlkampf, als Nummer eins der Landesliste - und das mit großer Rückendeckung. 95,7 Prozent der Stimmen entfallen auf den in Arzfeld (Kreis Bitburg-Prüm) lebenden CDU-Politiker, der beim Ergebnis kurz die Fäuste ballt, aufsteht und sich bedankt, während neben ihm die Landeschefin Julia Klöckner sitzt und applaudiert. Schnieder sagt: "Für mich ist das eine Ehre, ich werde um jede Stimme kämpfen."

Die CDU schwört er auf einen Wahlkampf ein, der hart werde, der Einsatz erfordere. "Jeder muss sich die Hacken ablaufen. Wer seine Schuhe bis zur Wahl im September nicht mindestens zweimal neu besohlt hat, hat das Ziel nicht erreicht" fordert er und erntet Applaus. Die große Mühe der Union dürfte auch in Rheinland-Pfalz darin liegen, Martin Schulz zu entzaubern, das deutet der Eifeler in seinen Worten schon an. Der SPD-Kandidat sei nicht heilig, sondern fahre einen Retro-Kurs. Vor einer Regierung ohne CDU-Beteiligung warnt Schnieder - und verteilt einen Seitenhieb gegen die rot-gelb-grüne Ampelkoalition im Land. Sie bringe die Infrastruktur nicht voran, habe im vergangenen Jahr 46 Millionen Euro an Bundesmitteln für Straßen nicht abgerufen. "Das ist ein Skandal und damit versündigt man sich an der Region", schimpft Schnieder. "Wenn der Bund die Infrastruktur und Digitalisierung nicht vorantreiben würde, könnten wir hier in Rheinland-Pfalz lange darauf warten."

Bei den Worten klatscht auch Peter Bleser. Ansonsten zieht der CDU-Bundestagsabgeordnete eine Miene, die schon eher an das Fritz-Walter-Wetter erinnert. Der Mund ist schmal, die Stirn liegt in Falten. Der Agrarstaatssekretär kassiert in Kaiserslautern einen gewaltigen Denkzettel nach der Affäre um Spenden des Ex-Geheimagenten Werner Mauss. Nur 73,8 Prozent der Delegierten wählen den auf Listenplatz zwei gesetzten Bleser - und das liest sich nach CDU-Rechnung noch gnädig, die Enthaltungen und fehlende Stimmabgaben im Ergebnis nicht berücksichtigt. Von 237 Landesvertretern stimmen nur 166 mit Ja für Bleser - das wären gerade mal 70 Prozent.

Bei der vergangenen Wahl waren es fast noch 98 Prozent. "Ich habe es erwartet, das ist ein ehrliches Ergebnis", sagt Bleser leise, der als einstiger Schatzmeister des CDU-Landesverbandes besonders in der Kritik wegen offenbar getarnter Mauss-Spenden stand. "Der Hype hat sich nicht mehr einfangen lassen", sagt Bleser. Besonders in der Pfalz murrten etliche Vertreter hinter vorgehaltener Hand, warum Bleser nach der Geschichte überhaupt für den zweiten Listenplatz gesetzt war. Der arg Gescholtene weist Fehler von sich. Derzeit prüft die Bundestagsverwaltung, ob die CDU eine Strafe zahlen muss. Sollte das so sein, denkt Bleser an Regressforderungen.

Schnieder sagt, Bleser habe das Ergebnis nicht verdient - doch man müsse es hinnehmen. Bleser bemüht sich wenigstens, die dunklen Wolken kurz zu vertreiben, wenn auch gequält. Als die Berlin-Kandidaten für die Kameras zum Sieger-Foto posieren, fordert CDU-Landeschefin Julia Klöckner: "Und jetzt alle ein bisschen Stimmung machen." Ein paar Kandidaten wedeln mit den Armen, einer ruft kurz ein "Heeey" in den Raum. Es ist die Stimme von Peter Bleser.

WER AUS DER REGION AUF DER CDU-LISTE STEHT
Mehrere CDU-Vertreter sagten, dass die ersten elf Plätze der Landesliste sicher für den Bundestag reichten. Vom Bezirksverband Trier wären dann Spitzenkandidat Patrick Schnieder (Vulkaneifel) und Andreas Steier sicher in Berlin dabei, der dem nicht mehr angetretenen Bernhard Kaster (Trier) folgt. Steier - mit 85,9 Prozent auf Listenplatz zehn gewählt - sorgte bei der Versammlung für einen Lacher, als er die händeringende Suche des Landesbetriebs Mobilität nach Ingenieuren für den Straßenbau aufgriff. "Ich heiße Andreas Steier, bin Ingenieur und gestalte die Zukunft", stellte er sich in Kaiserslautern vor. Weitere Listen-Kandidaten aus der Region sind Kristina Brixius (Wittlich, Platz 17, 98,1 Prozent),Thorsten Wollscheid (Trier, Platz 24, 97,1 Prozent), Susanne Thelen (Vulkaneifel, Platz 30, 96,3 Prozent) und Simone Thiel (Saarburg, Platz 37, 98,6 Prozent).

Von der 1,0-Hürde, Streuselkuchen und Tritten

Bei der Landesvertreterversammlung der CDU ging es um Wahlen und Inhalte. Dabei gab es durchaus Überraschendes.

Kampfabstimmung: CDU-Nachwuchstalent Johannes Steiniger kassierte einen Denkzettel. Der Landesvorsitzende der Jungen Union verlor in einer Kampfabstimmung um Listenplatz acht gegen Xaver Jung mit 100:133-Stimmen. Letztlich landete er auf Listenplatz 13 und dort bei 77,5 Prozent. Jung hatte ihm vorgeworfen, "völlig überraschend" als Bezirkskandidat angetreten zu sein - und das obwohl Steiniger ohnehin sicher über seinen Wahlkreis in den Bundestag einziehen werde. Steiniger sagte, er werde "nach dem Tritt ans Schienbein wieder aufstehen".

Von Studium bis Türkei: CDU-Landeschefin Julia Klöckner forderte mehr Studienplätze für Ärzte in der Medizin - auch an einem möglichen Standort in Trier. Ein zu hoher, nötiger Notenschnitt zum Studium vernachlässige zudem das nötige Einfühlungsvermögen, das Ärzte brauchten. "Wer mit mir an der Schule war und ein Abitur von 1,0 hatte, den will ich heute nicht als Arzt haben", sagte Klöckner. Bei der Türkei stellte Julia Klöckner klar, dass sie sich das Land nicht als EU-Mitglied vorstellen kann.

Backkünste: Eher mit Backkünsten wollte Anita Schäfer auf Listenplatz drei überzeugen. Mit ihrem Streuselkuchen habe sie schon so manchen Sympathiepunkt gewonnen, sagte sie in ihrer Rede. Die Landes-SPD konterte prompt auf Twitter, Streuselkuchen seien also die Kriterien, nach denen die CDU ihre Liste aufstelle.

Bruder-Liebe: Landtagspolitiker Gordon Schnieder freute sich für seinen Bruder Patrick, weil der als Spitzenkandidat gewählt wurde. Einziger Wermutstropfen:"Wir sehen uns nur bei Versammlungen der CDU - und das dürfte sich erstmal nicht ändern."

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