Justiz Eingestellter Mammutprozess gegen Neonazis muss neu aufgerollt werden

Koblenz · Spektakulärer Beschluss: Der fast fünfjährige Koblenzer Prozess gegen mutmaßliche Neonazis erlebt einen Neustart. Nach 337 Verhandlungstagen in der ersten Runde drohen nun aber Verjährungen.

Einer der umfangreichsten Neonazi-Prozesse in Deutschland muss neu aufgerollt werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin die spektakuläre Einstellung des Verfahrens aufgehoben, wie OLG-Sprecher Christoph Syrbe der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch mitteilte.

Das Landgericht Koblenz hatte den Prozess Ende Mai nach 337 Verhandlungstagen wegen der «überlangen Verfahrensdauer» von fast fünf Jahren eingestellt - ohne Urteil. Hintergrund war, dass der Vorsitzende Richter Hans-Georg Göttgen kurz darauf in Pension ging und es keinen Ergänzungsrichter mehr gab.

Das Verfahren zu Straftaten aus dem Umkreis der mutmaßlich rechtsextremen Organisation Aktionsbüro Mittelrhein hatte im Sommer 2012 gegen ursprünglich 26 Angeklagte begonnen. Zuletzt waren es nur noch 17 gewesen. Die fast 1000-seitige Anklage lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung.

In dem Prozess kam es laut OLG-Sprecher Syrbe zu mehr als 500 Befangenheitsanträgen, gut 240 Beweisanträgen und über 400 Anträgen zum Verfahrensablauf. Die Staatsschutzkammer des Landgerichts hatte den vielen Anwälten vorgeworfen, den Prozess «erfolgreich zu sabotieren» und sehr in die Länge zu ziehen.

Syrbe sagte nun, die ungewöhnliche Verfahrensdauer alleine sei kein Grund für eine Einstellung. Die Verteidiger hätten von ihren rechtsstaatlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Der Staatsanwaltschaft und der Staatsschutzkammer sei keine Verzögerung vorzuwerfen.

Nun muss das Landgericht Koblenz wieder beim Punkt null angefangen - wobei nach und nach droht, dass manche Vorwürfe der Anklage verjähren könnten.

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