Eiszeit zwischen Kriminologen und Bischöfen

Bonn/Trier · Die wissenschaftliche Erforschung des Missbrauchs in der katholischen Kirche Deutschlands ist vorerst gescheitert. Eine 2011 von den Bischöfen beauftragte Studie soll vorzeitig abgebrochen werden. Sie hat von Beginn an unter keinem guten Stern gestanden.

Bonn/Trier. Die Bischöfe wollten ehrliche Aufklärung und der Wahrheit auf die Spur kommen. Mit diesen markigen Worten gab der Trierer Bischof und kirchliche Missbrauchsbeauftragte Stephan Ackermann am 13. Juli 2011 den Startschuss für zwei wissenschaftliche und von der Bischofskonferenz finanzierte Forschungsprojekte. Die Ergebnisse der einen Studie, erstellt vom Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie an der Universität Essen-Duisburg, sind unlängst vorgestellt worden.
Die zweite Studie, in Auftrag gegeben beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) unter Leitung von Professor Christian Pfeiffer, hat gerade erst Halbzeit und soll bis August 2014 beendet sein.
Dazu aber wird es wohl nicht kommen. Nach Informationen unserer Zeitung soll das vorzeitige Aus noch in dieser Woche verkündet werden.
Offenbar müssen noch ein paar juristische Details geklärt werden, bis Auftraggeber und Auftragnehmer an die Öffentlichkeit gehen.
Noch halten sich beide Seiten zurück. "Das Projekt stockt. Im Laufe der Woche werden wir uns sicherlich äußern", sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp. Am Abend ergänzte er: "Ob mit Pfeiffer oder ohne, das Projekt läuft weiter." Institutsleiter Pfeiffer sagte: "Die letzten Worte sind noch nicht gesprochen." Aber es zeichne sich ab, dass das Projekt womöglich beendet werde. Das klingt, als bestünde noch ein letztes Fünkchen Hoffnung, dass die umfangreiche wissenschaftliche Aufarbeitung des Missbrauchs in der katholischen Kirche (siehe Stichwort) doch noch weitergeführt werden könnte. Aber daran glaubt intern niemand mehr. "Der Käse ist gegessen", sagte ein Insider gestern dem TV.
Es ist der Schlussstrich unter ein Forschungsprojekt, das von Anfang an mit Gegenwind zu kämpfen hatte. So wandte sich etwa das konservative Netzwerk katholischer Priester schon frühzeitig gegen die Herausgabe von Personalakten für die Studie. Dies sei ein unerlaubter Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und beschädige nachhaltig das Vertrauensverhältnis katholischer Kleriker gegenüber ihren Bischöfen und Oberen, heißt es in einer Stellungnahme der Priestervereinigung. Besonders großen Widerstand gab es nach Medienberichten in den Bistümern Regensburg, München, Dresden und Berlin.
Schon im Herbst vorigen Jahres war davon die Rede gewesen, dass das Forschungsprojekt stagniere. In einem Rundfunk-Interview sprach Institutsleiter Christian Pfeiffer damals von einer Eiszeit. Statt Tauwetter kam anschließend offenbar eine neue Frostperiode. Woran das Forschungsprojekt letztlich scheiterte, wird wohl erst deutlich werden, wenn beide Seiten ihre selbst auferlegte Zurückhaltung aufgeben. Aus dem Umfeld der Bischöfe ist zu hören, vielen Klerikern passe die selbstherrliche Art des Professors aus Hannover nicht. Von den niedersächsischen Wissenschaftlern dagegen wird angeblich die versuchte Einflussnahme von kirchlicher Seite kritisiert. Sogar von versuchter Zensur ist die Rede.Extra

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) wurde vom Verband der Diözesen Deutschlands vor eineinhalb Jahren mit einer breiten Untersuchung zum Thema Missbrauch beauftragt. Der Titel des Projekts: Der sexuelle Missbrauch Minderjähriger durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. Die Studie umfasst in neun ausgewählten Bistümern die Auswertung aller relevanten Unterlagen von 1945 bis 2010, in den anderen 18 Bistümern die Akten aus den Jahren 2000 bis 2010. Bei der Erhebung der Daten sollte dem KFN aus daten- und personenschutzrechtlichen Gründen kein direkter Einblick in Personalakten gewährt werden, hieß es bei der Vorstellung. Die Daten sollen von Archivmitarbeitern und geschulten Juristen erhoben und erst dann an das Institut zur Auswertung übermittelt werden. Das Projekt sollte im August 2014 beendet sein. sey

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