Energiegeladen und fröhlich - strategisch und ernst

Die Druckwelle der Fukushima-Katastrophe hatte die rheinland-pfälzischen Grünen 2011 mit sensationellen 15,4 Prozent der Stimmen an die Macht katapultiert. Und dort haben Eveline Lemke und Daniel Köbler sich als Wirtschaftsministerin und Fraktionssprecher in den vergangenen fünf Jahren so gut eingelebt, dass sie bleiben wollen.

 Eveline Lemke und Daniel Köbler

Eveline Lemke und Daniel Köbler

Foto: volksfreund.de/Archiv

Erneut haben die Grünen die beiden als Doppelspitze in den Wahlkampf geschickt. Ein Duo, das ungleicher kaum sein könnte.
Lemkes haselnussbraune Augen strahlen, wenn sie in hanseatischem Hochdeutsch wie ein fröhlich sprudelnder Wasserfall über Themen spricht, die ihr wichtig sind - allen voran die Energiewende, die sie mit hohem Tempo vorangetrieben hat, egal, wie stark der Gegenwind war. Als Grüne hatte die stellvertretende Ministerpräsidentin und Chefin des Superministeriums für Wirtschaft, Energie, Klimaschutz und Landesplanung es mit der traditionell konservativen rheinland-pfälzischen Wirtschaft - insbesondere mit den Industrie- und Handelskammern - nicht leicht. Oft wurde sie als Fehlbesetzung bezeichnet. Erst kürzlich zogen die Kammern eine desaströse Bilanz: Es habe noch "nie ein Ministerium gegeben, das die Wirtschaft so wenig unterstützt hat".
Von Lemkes anfänglicher Unsicherheit ist dennoch nichts mehr zu spüren. Sie gibt sich als Ministerin selbstbewusst, schlagfertig und gut informiert. Dass vielleicht nicht jeder ihren intellektuellen Gedankengängen folgen kann, stört sie nicht. Über den Tellerrand zu schauen, in die Zukunft zu denken, ist der gebürtigen Hamburgerin wichtiger als Volksnähe.
Statt Strickpullis und Birkenstock trägt die sportliche 51-Jährige, die mit 40 hessische Vizemeisterin in Fit-Step-Aerobic war, elegante Blazer. Lemke kommt aus der Wirtschaft. Nach dem Abitur in Hamburg wurde sie erst Fremdsprachensekretärin. 1987 schloss sie ihre Ausbildung als Kauffrau im Groß- und Einzelhandel ab und 2001 ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften. Ehe sie kaufmännische Angestellte der Grünen im Hochtaunuskreis wurde, arbeitete sie als Assistentin der Geschäftsführung eines großen Metallrecyclingunternehmens und als Beraterin für Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien. Von 2006 bis 2011 war Lemke Vorstandssprecherin der rheinland-pfälzischen Grünen.
Wie Politik funktioniert, hat die quirlige Wahl-Rheinland-Pfälzerin früh gelernt: Ihr Vater, der Sozialdemokrat Dietrich Lemke, war Ende der 1970er Jahre Vorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW in Hamburg, als "Achtundsechziger" habe er Demonstrationen gerne zum Familienausflug gemacht. Lemke lebt mit ihrem Mann, der wie sie zwei Kinder mit in die Ehe brachte, in Bad Bodendorf bei Sinzig in einem Energiesparhaus, dessen Kühlschrank, das betont sie, mit ökologisch erzeugten und regionalen Lebensmitteln gefüllt ist.
Politik besteht aus Kompromissen. Lemke spricht in Bezug auf die Wirtschaft "vom Interessenausgleich in kleinen Schritten" und verweist genüsslich darauf, wie gut die Wirtschaftslage im Land ist, wie rosig die Arbeitsmarktzahlen. Geht es um die Energiewende, um kostenlose Bildung und Naturschutz, so wird sie kampfeslustig. Doch zeigen feine Lachfältchen um Mund und Augen, dass diese Frau, die deutlich jünger aussieht als sie ist, ein fröhliches Naturell hat.
Neben ihr wirkt Daniel Köbler ernst, ruhig und älter als die 34 Jahre, die er jung ist. Der Fraktionsvorsitzende, der sich als Freidenker bezeichnet, wurde 1981 in Mainz geboren, wo er auch zum Gymnasium ging, seinen Zivildienst in einer Behindertenwerkstätte absolvierte, Politikwissenschaften studierte und Karriere machte. "Ein eschter Mainzer", wie er sagt. Und ein Familienmensch. Dass Köbler glücklich verheiratet ist und drei Töchter hat, erfahren Interessierte auf seiner Homepage in der Rubrik "über mich" bereits im ersten Satz. Waren ihm Parteien zunächst auch suspekt, politisch interessiert war Köbler schon immer. Nachdem er die Terroranschläge des 11. September 2001 im Fernsehen gesehen hatte, entschied er, dass es Zeit sei, selbst etwas zu tun, und schloss sich der Grünen-Jugend an. Was folgte, war eine steile Politkarriere.
2002 wurde er Grünen-Mitglied. Schon 2004 zog er in den Mainzer Stadtrat ein, 2005 wurde er Mitglied des Parteirats, 2008 Landesvorstandssprecher der Grünen, und seit 2011 ist Köbler Fraktionsvorsitzender im rheinland-pfälzischen Landtag, wo er als Freund deutlicher Worte zuweilen mit bissig-pointierten Reden auffällt. Ein Polterer ist er aber nicht. Auch keiner, der mit seinem Charisma mobilisiert. Köbler gilt als ehrgeiziger, kluger Parteistratege und Planer. Seinen Idealismus hat der Realo darüber nicht eingebüßt. Als politische Schwerpunkte bezeichnet der Mann mit den eisblauen Augen und der sanften Stimme Sozial- und Finanzpolitik. Sozialminister zu werden, wäre für ihn ein Traumjob. Angesichts der Umfragen, in denen die Grünen zwischen acht und zehn Prozent liegen, sind die Chancen nicht allzu rosig. Katharina de Mos

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