Energiewende kostet Geld und Arbeit

Trier · Die Kosten der Energiewende müssen nach Ansicht der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gerechter verteilt werden. Im Zuge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) müssten daher die Vergünstigungen für große und energieintensive Unternehmen "auf den Prüfstand".

Trier. Die Zeichen zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung stehen auf Sturm: Seit der Brüsseler EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia die Nachlässe für energieintensive Unternehmen bei der Energiewende aufs Korn genommen hat, hallt ein Schrei der Empörung durch die Republik. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) legt Brüssel nahe, sich aus der nationalen Energiepolitik herauszuhalten. Vertraut man dem Tenor der Bitburger Gespräche, einem hochkarätigen Forum für juristische Grundsatzfragen, das nun in Trier stattgefunden hat, sind derartige Töne deplatziert.
Hohe Risiken für die Wirtschaft


"Mit Kraftmeierei geht gar nichts", warnte der Rechtswissenschaftler Franz Jürgen Säcker, der wissenschaftliche Leiter des Kongresses.
Dabei sahen die Teilnehmer der zweitägigen Tagung zur Energiewende durchaus die Risiken, die energieintensiven Unternehmen drohen, wenn sie nicht weiter von der EEG-Umlage befreit sind. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) legt die Höhe der milliardenschweren Ökostrom-Umlage fest. Sie wird erhoben, um Wind- und Sonnenenergie zu fördern.
Gleich mehrere Referenten der Bitburger Gespräche äußerten die massiven Sorgen, dass Deutschland in einen "Prozess der Deindustrialisierung" schlittern und wichtige Wirtschaftszweige verlieren könnte, sollte die EU die Ökostrom-Rabatte auf Eis legen. Die Unternehmen mit hohem Energieverbrauch etwa in der Aluminium-, Glas-, Papier- oder Stahlindustrie beschäftigen nach eigenen Angaben bundesweit rund 830 000 Mitarbeiter.
Im Exportland Rheinland-Pfalz sind 88 Unternehmen von der Ökostrom-Umlage befreit. Damit sparen sie insgesamt 139 Millionen Euro im Jahr. Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) versprach, sich für die betroffenen Firmen im Land einzusetzen. Und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) meinte mit Blick auf das EU-Prüfverfahren zur EEG-Umlage: "Im Dezember löste das Verfahren erhebliche Unruhe in der Industrie, aus. Inzwischen hat sich die Lage etwas beruhigt." Und weiter: "Es wird uns noch viel Arbeit kosten, zu einer guten Lösung zu kommen."
Zahlreiche nach Trier gereiste Juristen warnten davor, zu harsche Töne im Dialog mit der EU anzustimmen. "Jetzt müssen wir in Brüssel kleine Brötchen backen", riet Franz Jürgen Säcker, Direktor des Instituts für deutsches und europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs und Regulierungsrecht (IWW) an der FU Berlin. Ähnlich wie andere Redner geht er davon aus, dass die EU den Beihilfeverdacht eher erhärten wird. Entwarnung ist also kaum in Sicht. In Rheinland-Pfalz hat man spätestens bei der Insolvenz der staatlichen Nürburgring GmbH gemerkt, wie unerbittlich Brüsseler Mühlen mahlen können.
Der Tübinger Professor Martin Nettesheim glaubt, dass die EU-Kommission zu einer pragmatischen Lösung bereit ist, wenn Deutschland kooperativ ist und Problembewusstsein zeigt. "Rückzahlungen der Unternehmen sind durchaus vermeidbar", meinte der Rechtswissenschaftler am Rande der Tagung. Voraussetzung ist seiner Ansicht nach, dass künftig deutlich weniger Firmen von der EEG-Umlage befreit und die Kriterien transparenter und nachvollziehbarer werden. Lemke ist optimistisch, dass die EU Deutschland entgegenkommt. Ihre Überzeugung nach einem Besuch bei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso: "Brüssel will Deutschland als wirtschaftliches Zugpferd Europas erhalten."

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