Entwicklungsland in Sachen Bürgerbegehren

MAINZ. Ernüchternde Ergebnisse hat ein bundesweiter Vergleich direkter Bürger-Mitbestimmung in der Politik gebracht. Nur wenig Lob verteilte die Initiative "Mehr Demokratie" an Rheinland-Pfalz für die Einführung der "Volksinitiative". Reichlich Tadel gab es dagegen für blockierte Mitsprachemöglichkeiten vor allem auf Gemeindeebene.

Es geht um die Rechtschreibreform, die Kürzung von Kinderbetreuung oder um den umstrittenen Neubau eines Gemeindehauses, wenn Bürger mit Volks- oder Bürgerbegehren versuchen, Einfluss zu nehmen. Doch während etwa in der Schweiz das Volk gern und häufig zur Abstimmung gerufen wird, attestiert die Initiative "Mehr Demokratie" den meisten Bundesländern mangelnden Respekt vor ihren Bürgern: Für Begehren müssen aus ihrer Sicht zu viele Unterschriften beigebracht werden, Entscheide werden an hohe Beteiligungsraten gebunden und wichtige Themen wie die Bauleitplanung sind von der Mitbestimmung gleich ganz ausgeschlossen. Zwar wurde bei einer Verfassungsreform im Jahr 2000 in Rheinland-Pfalz die Zahl der notwendigen Unterschriften für ein Volksbegehren auf 300 000 halbiert. Doch die Hürde ist mit rund zehn Prozent der Wahlberechtigten immer noch hoch (Schweiz: zwei Prozent). Das einzige Volksbegehren der letzten Jahrzehnte im Land ging 1998 um die Beibehaltung des Buß- und Bettages und scheiterte an der Unterschriftenhürde. Die strengen Vorgaben für Bürgerbegehren und -entscheide haben Rheinland-Pfalz in der Bewertung für die kommunale Ebene sogar im Ländervergleich den letzten Platz eingebracht. Entscheidend dabei: das Zustimmungsquorum von 30 Prozent und die Vielzahl der wichtigen Themen, zu denen die Bürger erst gar nicht gefragt werden dürfen. In Bayern, wo fast alle Themen zugelassen sind, befassten sich rund 60 Prozent der 1500 Bürgerbegehren mit öffentlicher Infrastruktur (Bau von Schwimmbädern oder Kindergarten), Flächennutzungs- und Bebauungsplänen oder Verkehrsprojekten. Durchschnittlich beteiligten sich dabei 50 Prozent der Bürger, in 40 Prozent der Fälle setzte sich das Begehren durch. Für das SPD-geführte Mainzer Innenministerium ist die Kritik an den Themenvorgaben unberechtigt. Bauleitplanungen seien zu komplex, um sie mit "Ja" oder "Nein" zur Abstimmung zu stellen. Eingeräumt wird, dass bei Bürgerbegehren mit einem Zustimmungsquorum von 30 Prozent der Stimmberechtigten eine "relativ hohe Hürde" festgelegt ist. Da ein Bürgerentscheid einem Ratsbeschluss gleichgestellt sei, müsse auch eine entsprechende Beteiligung von Bürgern gesichert sein. Die FDP-Landtagsfraktion gibt sich offen für eine Senkung der Unterschriftenzahlen und Quoren. Auch ein Abbau von Verbots-Themen hält ein Fraktionssprecher für denkbar. Für die CDU gilt es erst einmal, sich die Erfahrungen anderer Länder anzusehen. Eine Ausweitung der Mitspracherechte steigere nicht automatisch das politische Interesse, sagte ein Parteisprecher.

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