Er kämpft gegen Ellbogen und für mehr Demokratie

Mainz · Hendrik Hering hat in den vergangenen Jahren eine politische Achterbahnfahrt erlebt. 2014 gab er den Vorsitz der rheinland-pfälzischen SPD-Fraktion auf und rückte ins zweite Glied. Nun hat der 52-Jährige eine neue Aufgabe - und nimmt sich ein Vorbild daran, wie er als Kind war.

Mainz. Ungerechtigkeit ließ sich Hendrik Hering schon als Grundschüler nicht gefallen, wenn es um fragwürdige Noten und Lehrerlob ging. Er malte Plakate, zog mit Klassenkameraden über den Marktplatz und führte seine erste politische Demonstration an - gegen die Bevorzugung von Kindern reicher Eltern. Die Geschichte zog im Westerwald Ärger nach sich, erzählt Hering. Als er in einer Mathearbeit alle Aufgaben richtig gelöst habe, habe die Lehrerin ihm ins Gesicht gesagt: "Mehr als eine Drei plus kriegst du nicht.” Der 53-Jährige lacht heute über die Geschichte. "Ich habe mich immer gegen die Ellbogengesellschaft eingesetzt”, sagt er. Seinen Weg hat der SPD-Politiker gemacht - und dabei lagen ihm noch andere Steine im Weg als ein Mathetest.
Seit der neuen Regierungsperiode arbeitet Hering als Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags. Dabei schien die politische Uhr des 52-Jährigen noch im November 2014 abgelaufen. Mit der Kabinettsumbildung von Malu Dreyer trat Hering als SPD-Fraktionschef zurück. Freiwillig, aber auch auf Wunsch der Ministerpräsidentin, weil der einstige Wirtschaftsminister in der öffentlichen Wahrnehmung zu stark mit der Nürburgring-Affäre verwoben war. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft lösten sich zwar in Luft auf, doch der lange sogar als Kurt-Beck-Nachfolger gehandelte Politiker war plötzlich nur noch einfacher Abgeordneter.
Beobachter sagen, für den besonnenen, beliebten Hering sei das ein "schwerer Schlag" gewesen. Der Westerwälder - 1982 in die SPD eingetreten, weil ihm der Sturz von Bundeskanzler Helmut Schmidt durch den Misstrauensantrag der CDU naheging - spricht heute hingegen von einer "guten Erfahrung”. Er habe mehr Zeit mit Freunden verbracht, sich gefragt, was in seinem Leben wichtig ist. In den politischen Ämtern sei das verloren gegangen. "Ich war getrieben. Man beschäftigt sich mehr damit, was über einen in der Zeitung steht und wie man auf einem Termin aufgetreten ist."
Politik bleibt trotzdem die Leidenschaft des Hobbysportlers, der schon die 42,195 Kilometer des New-York-Marathons lief. Seine Partei nominierte Hering nach der Wahl als Landtagspräsiden. Mit dem Posten rechnen konnte der dreifache Vater nicht, weil diesen die stärkste Fraktion im Parlament stellt - und die CDU in Umfragen monatelang vor der SPD lag. Hering sagte zu, weil er die Aufgabe reizvoll findet und für Demokratie kämpfen will (siehe Extra). "Lügenpresse, Brutalität, Angst - so habe ich die Gesellschaft noch nicht erlebt", sagt der 52-Jährige, der die schwere Aufgabe hat, die Debattenkultur im Parlament zu überwachen, in dem sich die Parteien mit der AfD in einem schärferen Ton begegnen. Erst in der vergangenen Woche rügte der Landtagspräsident den AfD-Abgeordneten Joachim Paul und Innenminister Roger Lewentz. Hering sagt, er sehe den Landtag als "Gegenentwurf zur Verrohung der Sprache in den sozialen Netzwerken". Das wolle er bewahren. Und sich den Mund - wie schon als Schüler - nicht verbieten lassen. "Wenn ich Hetze und Niederträchtigkeit erlebe, vertrete ich meinen Standpunkt.”Extra

Hendrik Hering möchte zu mehr Demokratie überzeugen. 30 000 Besucher zieht es jährlich in den Landtag, dessen Präsident Hering ist. Ausweiten möchte er den Besuch von Grundschulgruppen. Dazu gibt es eine Veranstaltungsreihe, in der er mit Wissenschaftlern und Journalisten über die parlamentarische Demokratie diskutiert. flor

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