"Erdogan ist doch kein Diktator"

Auch in der Region Trier leben viele Türken oder Menschen mit türkischen Wurzeln. Sie verfolgen die Proteste in der Türkei mit besonderem Interesse; und kommen dabei zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen.

Erdal Dogan, Vorsitzender des Beirats für Migration und Integration im Eifelkreis Bitburg-Prüm: Ich bin zypriotischer Türke, habe von daher eine gewisse Abneigung gegen Erdogan. Allerdings muss ich zugestehen, dass der türkische Regierungschef wie kein anderer für das Wirtschaftswunder des Landes verantwortlich ist. Das ist die Leistung von Tayyip Erdogan. Andererseits verhält er sich nach der Devise: Ich bestimme und habe recht. Dieses Benehmen ist typisch für Leute, die den Kontakt zur Bevölkerung verloren haben. Erdogans Rückhalt ist Anatolien. Allerdings ist die Türkei ein Land mit vielen jungen Menschen, die so denken wie junge Leute in anderen Teilen der Welt. Wie sich die Situation entwickeln wird? Hoffentlich sieht Erdogan das ein. Er ist schließlich ein vernünftiger Mensch und kein Diktator.
Tahir Dogan lebt seit 1977 in Wittlich, ist dort auch politisch aktiv, spricht aber als Privatperson, wie er ausdrücklich betont: Die Forderungen der Demonstranten in der Türkei sind absolut fehl am Platz. Und es sind nur wenige, die auf die Straße gehen. Erdogan hat über 60 Prozent Zustimmung, ein Großteil der Bevölkerung steht hinter ihm. Er ist der beste Politiker seit Staatsgründer Kemal Atatürk, hat viele Reformen auf den Weg gebracht. Die Türkei ist auf dem besten Weg zu einer Demokratie. Erdogan hat zugesichert, mit den Demonstranten zu sprechen, allerdings nicht mit dem gewaltbereiten schwarzen Block. Deren Anhänger müssen von jenen Demonstranten getrennt werden, die friedfertig sind.
Ali Damar sitzt für die Linken im Wittlicher Stadtrat und ist Mitglied im Beirat für Migration und Integration: Die erschütternden Polizeiübergriffe auf friedliche Menschen und die menschenverachtenden Drohungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gegenüber den Protestierenden zeigen, dass die Türkei auf dem Weg in einen autoritären islamistischen Unterdrückungsstaat ist. Versammlungsfreiheit sowie Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Türkei von Ministerpräsident Erdogan und seiner AKP stark gefährdet. Justiz und Polizei wirken als willige Vollstrecker einer Politik der Einschüchterung von Regierungskritikern. Von einer Demokratisierung durch die EU-Beitrittsverhandlungen und die jüngsten Verfassungsreformen kann keine Rede sein.Extra

Türken in der Region: In Rheinland-Pfalz leben 62 500 Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit, davon 1725 in der Region Trier. Die meisten Türken wohnen im Kreis Bernkastel-Wittlich (684), gefolgt von der Stadt Trier (371) und den Kreisen Trier-Saarburg (341), Vulkaneifel (219) und Bitburg-Prüm (110). sey

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