Fahndung mit sozialen Medien Polizei sucht mit falschen Facebook-Profilen nach Rasern

Trier/Wittlich · Ermittler nutzen in Rheinland-Pfalz soziale Medien bei der Fahndung. Der Landesdatenschützer ermahnt die zentrale Bußgeldstelle wegen eines möglichen Verstoßes.

 Mitarbeiter sitzen im Löschzentrum von Facebook in einem Service-Center in Berlin an Computern.

Mitarbeiter sitzen im Löschzentrum von Facebook in einem Service-Center in Berlin an Computern.

Foto: dpa/Soeren Stache

480 Euro und ein Monat Fahrverbot: So lautete die Strafe gegen eine saarländische Autofahrerin. Ihr wurde vorgeworfen, auf der A 1 bei Wittlich im Baustellenbereich 53 Stundenkilometer schneller als erlaubt gewesen zu sein. Doch das Wittlicher Amtsgericht, wo der Widerspruch der Studentin verhandelt worden war, sah bei dem Verfahren einen Verstoß gegen den Datenschutz durch die Zentrale Bußgeldstelle in Speyer, die für die Ahndung von Geschwindigkeitssündern im ganzen Land zuständig ist.

Die beim Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen beheimatete Behörde bediente sich nämlich privater Fotos der Frau von deren Facebook-Seite, um sie als Fahrerin zu identifizieren. Dazu nutzte die Polizei ein gefälschtes Facebook-Profil, wie die Behörde dem Anwalt der Studentin, Alexander Gratz aus dem saarländischen Bous, mitteilte. Polizisten haben sich also unter einem falschen Namen bei dem sozialen Netzwerk angemeldet, um so an Daten anderer Nutzer heranzukommen.

Die auf der Facebook-Seite der Frau entdeckten Fotos von ihr seien mit dem Messfoto verglichen worden, dadurch sei dann die Fahrerin identifiziert worden, berichtet Gratz. Zunächst hatte die Bußgeldstelle nur die Daten des Fahrzeughalters, des Vaters der Studentin. Daher hat sich die Bußgeldstelle vom zuständigen Einwohnermeldeamt die Namen der bei dem Besitzer des Autos wohnenden Familienmitglieder besorgt. Da aber von diesen niemand zugegeben hat, gefahren zu sein, oder den tatsächlichen Fahrer verraten hat, sind von der Behörde bei der Gemeindeverwaltung Passfotos der Frau, die als Fahrerin infrage kommt, angefordert worden. Gleichzeitig suchten Beamte in Facebook nach dem Profil der angeblichen Raserin.

Der Anwalt schaltete den rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten ein. Dieser hält es für bedenklich, dass zur Identifizierung der Frau gleich mehrere Fotos verwendet wurden, um diese mit dem Blitzerfoto abzugleichen. „Gegen die Ermittlung durch die Polizeibehörden in Facebook ist dem Grunde nach nichts einzuwenden“, sagt der oberste Datenschützer des Landes auf Anfrage unserer Zeitung. Allerdings sei die Recherche in Facebook in dem Fall gar nicht nötig gewesen. Denn die Frau sei als Fahrerin des geblitzten Autos durch die Fotos aus dem Einwohnermeldeamt bereits identifiziert und damit die Ermittlung abgeschlossen gewesen. Der zusätzliche Abgleich der Facebook-Fotos entspreche daher nicht „dem datenschutzrechtlichen Erforderlichkeitsgrundsatz und dem Prinzip der Datensparsamkeit“, rügt der Datenschützer.

In einem Schreiben an den Anwalt kündigt die Behörde ein Gespräch mit der Zentralen Bußgeldstelle und dem Innenministerium an, in dem es darum geht, Ordnungswidrigkeitsverfahren „datenschutzkonform“ zu machen. Anwalt Gratz hält es für bedenklich, dass die Polizei zur Fahndung falsche Facebook-Profile nutzt. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz und das Innenministerium bestätigen auf TV-Anfrage, dass bei der Zentralen Bußgeldstelle „bei Bedarf dienstliche Facebook-Accounts zur Verfolgung von bußgeldbewehrten Verkehrsverstößen“ genutzt würden. Es werde aber nur in den öffentlich zugänglichen Informationen des Netzwerks recherchiert. Gewährt ein Nutzer also nur seinen Facebook-Freunden Einblick auf die von ihm geposteten Fotos, haben die Ermittler darauf keinen Zugriff.

„Grundsätzlich“, sagt der Sprecher des Innenministeriums, „können alle Polizeidienststellen Recherchen im Internet durchführen und hierfür Ermittlungsaccounts verwenden, so auch die Zentrale Bußgeldstelle Rheinland-Pfalz.“ Das stelle keinen Eingriff in die Grundrechte dar.

Trotz des Datenschutzverstoßes lehnte das Wittlicher Amtsgericht den Einspruch der Studentin gegen den Bußgeldbescheid ab. Allerdings musste sie statt 480 nur 160 Euro Bußgeld zahlen. Und das Fahrverbot wurde aufgehoben.

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