Erst die Versöhnung, dann die Mandate

Zeltingen-Rachtig · Der Hochschulprofessor Uwe Zimmermann ist neuer Landesvorsitzender der eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD). Der Saarburger kündigt an, die zerstrittene Landespartei zunächst zusammenführen zu wollen. Danach geht der Wahlkampf los, sagt der 54-Jährige.

 Uwe Zimmermann (Mitte) kann noch kaum glauben, dass er zum Parteichef gewählt worden ist. TV-Foto: K. Kimmling

Uwe Zimmermann (Mitte) kann noch kaum glauben, dass er zum Parteichef gewählt worden ist. TV-Foto: K. Kimmling

Zeltingen-Rachtig. Die Parteispitze der Alternative für Deutschland hätte eigentlich allen Grund, rundherum zufrieden zu sein. Ein Dreivierteljahr nach Gründung wäre den Eurokritikern um ein Haar der Einzug in den Bundestag gelungen, der Zulauf von Wählern und Mitgliedern ist enorm.
Im nächsten Mai soll klappen, was im September noch misslang: Bei den Wahlen zum Europaparlament und den rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen soll der Sprung in die Parlamente gelingen.
Doch derzeit hat die selbst ernannte Alternative für Deutschland noch mehr mit sich selbst zu tun - jedenfalls in Rheinland-Pfalz. In der AfD toben heftige Grabenkämpfe, der komplette Landesvorstand, obwohl erst seit Anfang April im Amt, tritt zu Beginn des gestrigen Parteitags im Kloster Machern (Kreis Bernkastel-Wittlich) zurück.
Der Parteitag beginnt mit knapp einstündiger Verspätung, weil der Andrang derart groß ist, dass Nichtdelegierte zwischenzeitlich sogar gebeten werden, den schmucken Barocksaal wieder zu verlassen. Die Anordnung verpufft - wie so vieles an diesem Tag.
Zwischenmenschlich hakt es, ist aus Parteikreisen zu hören, aber auch programmatisch gebe es unterschiedliche Vorstellungen über die Ausrichtung der AfD. Zuletzt war sogar davon die Rede, dass rechtskonservative und islamkritische Kreise die Partei unterwandern wollten. Bundesvorsitzender Bernd Lucke winkt ab. "Derzeit gibt es in manchen Landesverbänden persönliche Auseinandersetzungen", sagt der fast immer lächelnde Professor, da könne es auch mal knirschen. Aber der Streit in Rheinland-Pfalz werde auch von der Presse überbetont, sagte Lucke.
Dass Lucke an diesem Tag quasi als eine Art Feuerwehrmann an die Mosel beordert worden ist, sagt der Parteivorsitzende nicht. "Es war ein Hilferuf von uns", sage eine Delegierte hinter vorgehaltener Hand, "der muss jetzt hier mal sagen, wo es langgeht." Zunächst einmal sagt der scheidende Landesvorsitzende Klaus Müller, dass die Journalisten bei der Aussprache über den Rechenschaftsbericht den Saal verlassen müssten - "weil persönliche Auseinandersetzungen zu erwarten seien". Das sei nichts Ungewöhnliches, sagt Lucke, das habe er früher bei der CDU auch schon mal erlebt.
Ein Großteil der 240 Delegierten hebt zustimmend die Hand, als die Tagungsleitung über den zeitweisen Rauswurf abstimmen lässt. Als die Journalisten nach einer Stunde wieder rein dürfen, keimt der Zoff immer mal wieder auf. Etwa als die zurückgetretene Landesvize Heidrun Jakobs (Mainz) in ihrer Bewerbungsrede für den Vorsitz sagt, dass sie die in der Aussprache erhobenen Vorwürfe zurückweise und einige AfD-Vorstandsmitglieder nur den eigenen Vorteil im Sinn hätten. Einer der von Jakobs indirekt Attackierten ist der Ludwigshafener Unternehmer Oliver Sieh, der ebenfalls für den Vorsitz kandidiert und auch dem alten Vorstand angehörte.
Neben den beiden bewerben sich an diesem Sonntag drei weitere Kandidaten um den Landesvorsitz. Darunter Professor Jens Jessen aus Mainz. Er war schon in der FDP und in der CDU, saß schon für die Republikaner im Stadtrat und ist jetzt in einer rechtspopulistischen Bewegung, deren Namen ihm auf Nachfragen partout nicht einfallen will. Quittung der Delegierten: null Stimmen für Jessen.
Dagegen räumt Uwe Zimmermann ab, Professor an der Hochschule Trier. Mit 60 Prozent der Stimmen siegt der vierfache Vater nach gut sechsstündigem Sitzungsmarathon völlig unerwartet bereits im ersten Wahlgang und verweist den Hauptfavoriten Oliver Sieh auf Platz zwei.
"Ich bin von dem Ergebnis völlig überrascht", sagt Zimmermann nach der Wahl, "habe auf Anhieb gar keine Erklärung dafür." Dabei liegt die womöglich auf der Hand: Der Maschinenbau-Professor aus Saarburg hat sich aus den innerparteilichen Querelen der vergangenen Monate herausgehalten. Seine Botschaft in der Vorstellungsrunde - Gräben zuschütten, kein Schubladendenken und Basis stärken - dürfte einen Großteil der vom innerparteilichen Zoff genervten Mitglieder überzeugt haben.
Stellvertreter wurden Christian Schreckenberger (Mainz) und Beatrix Klingel (Kirchheim an der Weinstraße).

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