Es bleibt ein fader Beigeschmack

BITBURG. Nach acht Verhandlungstagen und über viermonatiger Dauer endete gestern vor dem Bitburger Schöffengericht der Prozess gegen einen Aachener Polizisten, dem Volksverhetzung vorgeworfen wurde. Er wurde wegen Körperverletzung und Untreue verurteilt.

Auch wenn Helmut J. letztlich "nur" wegen Körperverletzung und Untreue verurteilt worden ist und die Vorwürfe der Volksverhetzung nicht nachweisbar waren, geht der 50-jährige Ausbilder von Polizeischülern aus Linnich bei Aachen stark angeschlagen aus dem Prozess vor dem Bitburger Schöffengericht. Das Bild des "sozial engagierten", "überkorrekten", in der CDU, in Jugendverbänden, in der Gewerkschaft, im Personalrat und in einer deutsch-israelischen Jugendorganisation aktiven Polizeihauptkommissars hat nach acht Verhandlungstagen und einem Marathon mit über 30 Zeugenvernehmungen einen schweren Makel bekommen. Zumal auch Richter Udo May Helmut J. eine Mitschuld an den Vorwürfen gegen ihn ins Stammbuch geschrieben hat. Er habe den Grundstein für die Anklage gegen ihn gelegt, indem er unbewusst oder bewusst Äußerungen über das Dritte Reich machte - bei Grillabenden im Gaytal (Kreis Bitburg-Prüm), wo J. mehrere Häuschen besitzt und seit über 20 Jahren regelmäßig seine Ferien verbringt. "Mit meiner Begeisterungsfähigkeit wäre ich wahrscheinlich Gauleiter im Dritten Reich geworden", soll der 50-Jährige einmal gesagt haben. Daraus entwickelte sich wohl eine gewisse Eigendynamik. J. hat vornehmlich an Personen mit "Vorgeschichte" vermietet: Einer war wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt, eine Frau wegen Diebstahls und Förderung der Prostitution, ein Ehepaar galt als Sozialhilfebetrüger. Er hat wohl, so glaubt das Gericht, den Mietern in irgendeiner Form zu verstehen gegeben, dass er als Polizist jederzeit etwas über sie in Erfahrung bringen könne. Und irgendwann zeigte J. den wegen sexuellen Missbrauchs Verurteilten an, weil er sich angeblich einer Nachbarstochter unsittlich genähert habe, und einen Bekannten einer Mieterin beschuldigte er des Fahrens ohne Führerschein auf einem Motorrad. Es kam zur Verhandlung, J. sagte als Zeuge aus, und der Richter, Amtsgerichtsdirektor Werner von Schichau, soll ihn damals mit Erkenntnissen aus den Ermittlungen gegen ihn konfrontiert haben. Daher musste von Schichau nun auch als Zeuge aussagen. Ganze Armada von Entlastungszeugen

Die beiden Anwälte von J. ließen eine ganze Armada von Entlastungszeugen auffahren, die häufig nichts zu dem Angeklagten, dafür aber zum Vorleben der Belastungszeugen sagen konnten. So war es letztlich schwer, sich ein wirkliches Bild über den Menschen J. zu machen. Selbst die von seinem 24-jährigen Sohn, der ebenfalls Polizist ist, sehr routiniert abgespulte, zweistündige Aussage, trug nichts Erhellendes bei. Und die von der Staatsanwaltschaft aufgefahrenen Belastungszeugen hatten fast alle ein Motiv: persönliche Rache. Sie verstrickten sich zudem in Widersprüche, so dass die Vorwürfe der Volksverhetzung wie ein Kartenhaus zusammenfielen. Die beschlagnahmten Materialien mit Nazi-Zeichen stellten sich als Schulungsunterlagen heraus. Auch für ein Komplott gegen J. gab es keine Anhaltspunkte. Nachbarn und Bekannte aus dem Gaytal konnten ebenso wie die Kollegen und sein Chef nur Gutes über J. sagen. Braunes Gedankengut passe nicht zu ihm. "Das wäre wie die Wandlung von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde", meinte ein Kollege. Trotzdem scheint J. "eine Person, an der sich die Geister scheiden" zu sein, wie sein Anwalt Wolfram Strauch zugab. Am überzeugendsten konnte der zuständige Bezirkspolizist den Angeklagten entlasten: Er habe bei seinen Gesprächen mit Bewohnern keine Hinweise auf rechtsradikale Vorwürfe erhalten. Auch den Verrat von Dienstgeheimnissen sah die Staatsanwaltschaft nicht als gegeben. J. soll angeblich Informationen über einen verurteilten Gaytal-Bewohner verbreitet haben. Verurteilt wurde er, weil er den achtjährigen behinderten Sohn einer Mieterin und späteren Belastungszeugin, "am Kragen" gepackt und leicht verletzt hat, nachdem dieser Steine aus einer Natursteinmauer entfernt hatte. Der beruflich wohl am schwerwiegendste Punkt ist die Untreue. J. hat ein Fahr- und Sicherheitstraining mit drei Polizeischülern dazu benutzt, um in die Eifel zu fahren und in Uniform ausstehende Mieten einzutreiben. Staatsanwalt und Gericht sahen es als erwiesen an, dass die gesamte Fahrt einem privaten Zweck gedient hat. 60 Tagessätze zu 70 Euro lautete das Urteil, das unter der Forderung des Staatsanwalts mit 100 Tagessätzen blieb. Die Anwälte, die zwischenzeitlich über einen Antrag zur Einstellung des Verfahrens nachdachten, beantragten lediglich eine Verurteilung wegen Untreue und plädierten für 20 Tagessätze zu 70 Euro. Trotzdem zeigten sie sich nach dem Urteil "nicht enttäuscht": "Vor allem hat unseren Mandanten der Vorwurf der Volksverhetzung getroffen und es ist eine Genugtuung, dass hier nun ein Freispruch erfolgt!" Sie ließen aber offen, ob sie in Berufung gehen werden. Es bleibt, wie der Richter festgestellt hat, ein "fader Beigeschmack".

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