Es bleibt frostig

Berlin · Der Besuch der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szadlo bei Bundeskanzlerin Angela Merkel war ein Anfang in der kriselnden Beziehung beider Länder. Beide suchten nach Gemeinsamkeiten - und doch trennt sie noch eine ganze Menge.

Berlin. Wie kontrastreich das Kanzlerinnenleben sein kann, erlebte Angela Merkel gestern wieder einmal. Erst kam am Morgen Filmstar George Clooney samt Gattin Amal ins Kanzleramt. Fast unmittelbar danach Beata Szydlo, Ministerpräsidentin der neuen Regierung in Warschau. Beides waren Höflichkeitsbesuche, bei beiden ging es zentral um das Thema Flüchtlinge. Aber Clooney dürfte Angela Merkel in deutlich angenehmerer Erinnerung behalten haben.
Versprechen bleibt bestehen


Der sozial engagierte Hollywood-Beau, gerade mit seinem jüngsten Film Stargast der Berlinale, wollte der Kanzlerin nämlich sagen, dass er "absolut einverstanden" sei mit ihrer Flüchtlingspolitik. Die Botschaft der 52-jährigen Polin zum gleichen Thema hingegen, schon vorab per Interview verkündet, lautete: "Wir brauchen eine Kehrtwende." Sie meinte damit weniger ihr Land, das bisher so gut wie keinen einzigen Flüchtling aufgenommen hat, sondern Deutschland: "Es wurden Fehler gemacht. Die Lage ist außer Kontrolle geraten."
Immerhin teilte die Politikerin der seit kurzem mit absoluter Mehrheit regierenden rechtskonservativen Partei PiS Merkel mit, dass Polen seine Verpflichtung einhalten werde, 7000 von 160 000 europaweit zu verteilenden Flüchtlingen aufzunehmen. Man werde sich an die Absprachen der Vorgängerregierung halten. Feste Verteilkontigente lehnte sie jedoch eisern ab.
Merkel versuchte in der Pressekonferenz nach dem deutlich länger als geplant dauernden Arbeitsessen, das Gemeinsame zu betonen. Zum Beispiel, dass Polen den EU-Türkei-Plan zur Kontrolle des Flüchtlingsstroms unterstütze und auch an der Sicherung der Außengrenzen mitwirken wolle.
Die Kanzlerin lobte zudem, dass sich Warschau bei der Geber-Konferenz in London mit Geldzusagen für die Flüchtlingslager rund um Syrien engagiert habe. Auch Szydlo wies mehrfach auf diesen verbindenden Umstand hin. Vornehm verschwiegen beide Regierungschefinnen, dass der polnische Beitrag mickrige 4,5 Millionen Euro beträgt - gegenüber 2,3 Milliarden der Deutschen und noch 89 Millionen des kleinen Dänemarks. Dafür wurde in dem Gespräch die Idee eines gemeinsamen deutsch-polnischen Hilfsprojektes in der Region geboren, eines Krankenhauses etwa oder einer Schule, wie Merkel mitteilte.
Szydlo hatte sich mit ihrem Antrittsbesuch beim großen Nachbarn fast ein Vierteljahr Zeit gelassen und als erstes lieber das ähnlich konservativ-autoritär regierte Ungarn besucht. Neben der Flüchtlingspolitik hatten die ersten innenpolitischen Maßnahmen der neuen polnischen Regierung die Beziehungen belastet.
Vor allem die Beschlüsse zur Kontrolle des polnischen Verfassungsgerichts und des Fernsehens. Die EU prüft die entsprechenden Gesetze derzeit mit einer Kommission auf ihre Europatauglichkeit, kann am Ende jedoch nur Empfehlungen aussprechen. Im März werden sie erwartet. Merkel erwähnte diese Probleme öffentlich mit keinem Wort. Stattdessen lobte sie "gerade vor dem Hintergrund der Geschichte" das "Glück" der aktuellen Beziehungen, das man "hüten und pflegen" müsse.
Dieses Jahr besteht der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag 25 Jahre, das Jubiläum will würdig begangen werden und ist eine gute Gelegenheit, um sich wieder etwas anzufreunden. Zum Beispiel mit den für den Sommer geplanten gemeinsamen Regierungskonsultationen. Und mit einer Konferenz über die Anliegen der in Deutschland lebenden Polen, die sich unter anderem mehr Sprachangebote an den Schulen wünschen. Eitel Sonnenschein also? Auffällig war, wie betont sachlich Merkel in der Pressekonferenz zu Szydlo war, ohne viel Blickkontakt und Lächeln. Und die zu ihr.

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