"Es hakt an allen Enden"

TRIER/NÜRNBERG. Begrenzung und Integration verlangt das zum 1. Januar gesetzlich ausgestellte Rezept der Bundesregierung gegen Risiken und Nebenwirkungen der Zuwanderung. Per Sprach- und Landeskunde-Lehre zum Null- oder Minimaltarif sollen Immigranten sozial "eingebürgert" werden. Wenn es da nur nicht einige Probleme gäbe.

630 Stunden Deutsch lernen für lau: Für alle sprachunkundigen Spätaussiedler und ihre Angehörigen soll dieser Marathonkurs kostenlose Kür werden. Pflicht ist er ab jetzt für alle neuen und alle mittellosen Ausländer, die auf Dauer in der Bundesrepublik mit Deutsch-Defiziten zu kämpfen haben. Einen Euro müssen die restlichen freiwilligen Sprachschüler pro Lernstunde hinlegen. "Eine sehr gute Maßnahme", lobt die Trierer Ausländerrats-Vorsitzende Maria Duran-Kremer. Auch wenn "noch viele Fragezeichen" blieben.Über Hundert-Stunden-Module soll ein fliegender Kurswechsel in höhere und niedrigere, schnellere und langsamere Lernklassen ermöglicht werden. So weit die Theorie. Die Praxis sieht noch anders aus – leer nämlich: Mindestens zwanzig Kurse an acht Standorten wollten und könnten die sechs gemeldeten Träger im ehemaligen Regierungsbezirk Trier anbieten. Gestartet ist bisher nur einer. "Und das auch nur, weil wir alles daran gesetzt haben, selbst zu den Übersiedlern gegangen sind und geworben haben", erzählt Christoph Fisch vom Trierer Bildungsforum Logos. Die Gesetzesgrundlage sei "eigentlich gut" und alles "optimal verwaltet", aber es fehlten die direkten Ansprechpartner vor Ort. "Die Ausländer sind überfordert. Keiner ist so richtig informiert", erklärt Fisch die Anmeldeflaute.Baustelle Kurssystem

"Überdurchschnittlich gut informiert" schätzt dagegen Ralf Frühauf von der Pressestelle der Trierer Stadtverwaltung die von der Ausländerbehörde betreuten Kurs-Aspiranten ein. Etwa 15 Verpflichtungserklärungen seien seit Anfang des Jahres zusammen mit der Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden. Einen kleinen Sprachtest auf dem Amt gebe es außerdem, um für die Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse zu selektieren.Das Bundesamt für Migration war schon vor Monaten mit Koordinierungsstellen an die Basis gegangen. Der tatsächliche Bedarf vor Ort werde über die Teilnahme-Anträge erst jetzt allmählich deutlich, sagt Pressesprecherin Felizitas Graute. Gut 800 Gesuche von Bestandsausländern lägen bei der Trierer Stelle vor, die für ganz Rheinland-Pfalz zuständig ist. 222 Bestätigungen für Neuzuwanderer seien hier bisher ausgesprochen worden."Die Rahmenbedingungen sind sehr schlecht", urteilt Michael Becker vom regionalen Kursanbieter ibis acam. Dennoch hofft er für April zumindest auf einen Kursbeginn in Bernkastel-Kues. Davon kann Carl-Ludwig Centner vom Weiterbildungsreferat der Trierer Handwerkskammer nur träumen: "Bisher erst zwei Interessenten" hätten sich gemeldet, und Werbung für die schlecht bezahlten Kurse sei von Trägerseite finanziell nicht machbar. "Eine Baustelle" sei das neue Kurssystem, findet der Leiter der Dekra-Akademie Koblenz-Trier, Joachim Freeg. In Trier, Gerolstein und Bitburg könne der Träger theoretisch den Spezialunterricht anbieten, doch "es hakt an allen Ecken und Enden". "Insgesamt ein Informationsdefizit" stellt die stellvertretende Leiterin der Trierer Volkshochschule Rita Brockhaus fest. So sei auch der für Ende Februar angekündigte VHS-Integrationskurs mangels Anmeldungen einstweilen auf Eis gelegt.

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