"Es ist zu befürchten, dass es künftig zu Schaufenster-Reden wie im Landtag kommt"

So stellen sich Parteien und kommunale Politiker in der Region Trier zur neuen rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung:

"Gerade in dem kleinteilig strukturierten Rheinland-Pfalz sind so viele Bürger wie sonst nirgendwo in den kommunalen Gremien engagiert und übernehmen Verantwortung für das Wohl ihrer Gemeinde. Durch die teilweise Entmachtung der Ortsgemeinderäte geht die Motivation, zu kandidieren, verloren", fürchtet Michael Hülpes (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Hermeskeil. Auch in den Kommunen gelte das Prinzip der repräsentativen Demokratie, betont Hülpes. Es ermögliche den Volksvertretern, alle Interessen unbeobachtet abzuwägen. "Es ist zu befürchten, dass es künftig zu informellen, nichtöffentlichen Vorbesprechungen und zu Schaufenster-Reden wie im Landtag und Bundestag kommt", sagt der Bürgermeister, der sich zudem fragt, warum die Regeln nicht für den Landtag gelten.Auch Moritz Petry (CDU), Bürgermeister der VG Südeifel, ist "nicht gerade begeistert von diesem Gesetz". Es unterstelle, dass direktdemokratische Beteiligung bisher nicht möglich sei und dass das Gesetz dieses Problem löse. Beides stimme nicht. "Es ist mal wieder ein Gesetz, das eher auf den anonymen städtischen Raum passt", findet Petry.Es gibt allerdings auch ganz andere Meinungen zum Thema. So hält Josef Junk (SPD), Chef der VG Bitburger-Land, es für erstrebenswert, dass politische Prozesse aus der Mitte der Bevölkerung heraus kommen. Er begrüßt das Gesetz, auch wenn er die Politik seines Rates schon jetzt als transparent empfindet und das Interesse der Bürger, sich unmittelbar in der Sitzung zu informieren, selbst bei herausragenden Themen eher gering sei.Erstaunliche Einigkeit herrscht im Trierer Stadtrat. Die Fraktionen freuen sich auf die Reform, ja Trier ist ihr sogar voraus. Bereits im März hatte der Rat entschieden, dass seine Sitzungen ab September live im Fernsehen übertragen werden. Schon seit 2009 bietet die Stadt ihren Bürgern mit dem Bürgerhaushalt eine Möglichkeit, neue Investitions- oder Sparvorschläge einzubringen.Mehr Transparenz und Öffentlichkeit seien der CDU schon lange Herzensanliegen, sagt Stadtratsmitglied Thomas Albrecht. Bereits 2008 habe die Fraktion beantragt, einen Teil der Ausschusssitzungen öffentlich zu machen. Für mehr habe damals die gesetzliche Grundlage gefehlt. Daher freut er sich über die Reform. Sie könne helfen, Misstrauen gegenüber der Entscheidungsfindung zu vermeiden.Die SPD in Trier glaubt, dass die Änderungen die Arbeitsweise des Stadtrats grundlegend ändern werden, Und sie sieht darin eine "große Chance", weil Bürger dank öffentlicher Sitzungen früher über problematische Themen informiert werden, sich früher einbringen können und die Beweggründe der politisch Aktiven kennenlernen.Die Grünen im Trierer Stadtrat hatten sich bereits 2012 für öffentliche Ausschusssitzungen und Live-Übertragungen ausgesprochen. "Menschen, die uns gewählt haben, haben das Recht zu wissen, was und wie wir reden", sagt Fraktionssprecherin Petra Kewes.Die Linke sieht die Live-Übertragung der Ratssitzungen als wichtiges Zeichen der Transparenz. "Im Stadtrat fallen wichtige Entscheidungen", hatte Susanne Kohrs bereits im März betont, als bekannt wurde, dass die neue Gemeindeordnung Filmaufnahmen ermöglicht.Die FWG Trier freut sich, dass künftig der Anschein vermieden wird, wichtige Entscheidungen würden "hinter verschlossenen Türen getroffen", ohne dass die Öffentlichkeit informiert wurde oder die Möglichkeit hatte, mitzuwirken.Die Trierer FDP wiederum hofft, dass sich dank der Reform mehr Menschen für Kommunalpolitik interessieren und begeistern können. Den Bürgern werde die Teilnahme am kommunalpolitischen Alltag maßgeblich erleichtert.Auch die AfD in Trier begrüßt mehr Transparenz und demokratische Mitbestimmung. Durch die Live-Übertragung erhofft sie sich "eine bessere Debattenkultur im Stadtrat", zudem kündigt sie an, einen Bürgerentscheid zum Theater herbeiführen zu wollen.

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