Europa verliert zunehmend das Vertrauen seiner Bürger

Trier/Brüssel · Die Eurokrise hat das Vertrauen der Menschen in die EU erschüttert. In 20 EU-Ländern überwiegt inzwischen die Skepsis. Das zeigt eine repräsentative Umfrage der EU-Kommission. Größte Sorge ist die Arbeitslosigkeit, die in Südeuropa auf Rekordniveau liegt.

 Unsere Flagge neben der Europa-Flagge: Auch in Deutschland sehen 59 Prozent der Menschen die EU mit Skepsis. Wird sie doch als immer weniger demokratisch, modern und beschützend empfunden.

Unsere Flagge neben der Europa-Flagge: Auch in Deutschland sehen 59 Prozent der Menschen die EU mit Skepsis. Wird sie doch als immer weniger demokratisch, modern und beschützend empfunden.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Seit Beginn der Eurokrise haben viele Menschen das Vertrauen in die Europäische Union verloren. Wie groß der Vertrauensschwund ist, zeigt die jüngste Auswertung des Eurobarometers - eine von der EU-Kommission beauftragte Meinungsumfrage. Das Misstrauen überwiegt demzufolge in 20 Ländern der EU, wobei Spitzenwerte in Griechenland (81 Prozent), Spanien (72 Prozent), Großbritannien (69 Prozent) und Zypern (64 Prozent) erreicht werden. Auch in Deutschland sehen 59 Prozent der Menschen die EU mit Skepsis. Wird sie doch als immer weniger demokratisch, modern und beschützend empfunden. Eine Sichtweise, die sich auch im Bundestagswahlkampf bemerkbar macht.

Die größte Sorge bereitet den Europäern die Arbeitslosigkeit. Kein Wunder: Mehr als 26 Millionen Menschen in der EU haben keinen Job. Die Statistiker melden einen düsteren Rekord nach dem anderen, zuletzt in Frankreich und Spanien. Und mehr als sechs von zehn europäischen Bürgern sind überzeugt, dass "das Schlimmste noch bevorsteht", heißt es im Eurobarometer.

Die Krise schürt auch Wut auf Deutschland - dem es relativ gut geht und das andere zum Sparen auffordert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird gar mit Sorgen vor einem neuen deutschen Streben nach der Vorherrschaft in Europa konfrontiert. Die jüngste Anklage: Frankreichs Sozialisten machen die deutsche Bundeskanzlerin und die EU für die Wirtschaftskrise in ihrem Land verantwortlich.

Als Ursache der Anti-Europa-Stimmung gilt gemeinhin die Schuldenkrise. Der renommierte Mainzer Soziologe Stefan Hradil weist im Volksfreund-Interview darauf hin, dass es noch ganz andere Faktoren gibt, die Europa auseinandertreiben. Zwischen den Ländern bestünden Unterschiede, die politische Konflikte hervorrufen. "Es gibt Länder wie Spanien oder Griechenland, die nie Industriegesellschaften waren und das merkt man bis heute", sagt Hradil, der die hohe Arbeitslosigkeit insbesondere auf die schwach entwickelte Industrie zurückführt. Ein starker Industriesektor wie Deutschland ihn habe, sei ein Gütegarant.

Trotz aller Problemen warnt der Soziologe, der bald als Gastprofessor nach Trier kommt, davor, das Projekt Europa zu beerdigen. Es sei eines der letzten großen Ziele unserer Zeit.

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