Ex-CDU-Chef Christoph Böhr hofft auf Karlsruhe

Trier · Das juristische Tauziehen im Fall des ehemaligen CDU-Landesvorsitzenden Christoph Böhr geht in die nächste Runde. Ende November entscheidet der Bundesgerichtshof, ob der Untreueprozess gegen den 60-Jährigen neu aufgerollt werden muss.

Von der politischen Bühne hat sich Christoph Böhr völlig verabschiedet. Seit der Trierer vor fünfeinhalb Jahren auch noch sein Landtagsmandat niedergelegt hat, ist von dem einst omnipräsenten Politiker in der Öffentlichkeit kaum noch etwas zu sehen (siehe Extra). Nur noch zu ganz wenigen ehemaligen Parteifreunden hat Böhr Kontakt. Das Interesse der jetzigen CDU-Landesspitze zum einstigen Vordermann scheint nahe null zu sein. "Da gibt es keine Berührungspunkte", meinte unlängst noch Julia Klöckner bei einem Volksfreund-Redaktionsgespräch.

Und doch wird auch die CDU-Landesvorsitzende mit einigem Interesse verfolgen, wie die juristische Auseinandersetzung im Fall Böhr weitergeht. Vor knapp einem Jahr hatte das Mainzer Landgericht Böhr wegen Untreue zu einer 22-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Es ging um illegale Parteienfinanzierung im Landtagswahlkampf 2005/2006. Christoph Böhr hatte seinerzeit den damaligen Chef einer Düsseldorfer Agentur damit beauftragt, ihn zu beraten. Weil in der Parteikasse kein Geld war, wurde das Honorar in Höhe von knapp 400.000 Euro über verschleierte Rechnungen aus der Fraktionskasse bezahlt. Das war illegal. Die CDU zahlte deshalb vor drei Jahren fast 1,2 Millionen Euro Strafe an den Bundestag.
Neben Christoph Böhr wurde auch der ehemalige Agentur-Chef Carsten Frigge wegen Beihilfe zur Untreue zu 30.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Den christdemokratischen Hamburger Finanzsenator kostete die Affäre den Job. Der ehemalige rheinland-pfälzische CDU-Generalsekretär Claudius Schlumberger und Ex-CDU-Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen bekamen vom Mainzer Landgericht Bewährungsstrafen. Anders als Böhr und Frigge legten beide gegen das Urteil keine Revision ein.

Am 27. November befasst sich nun der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit dem Fall. Neben den Angeklagten hat auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Sie kritisiert, dass die Angeklagten nicht noch zusätzlich wegen versuchten Betrugs verurteilt worden seien. Die CDU-Politiker sollen gegenüber dem Landesrechnungshof falsche Angaben gemacht haben.

Böhrs Verteidiger Thomas Hermes hat seine Revision unter anderem mit der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren begründet. Die Beweismittel seien vom Mainzer Landgericht nicht korrekt gewürdigt worden, sagte Hermes unserer Zeitung.

Nach Angaben des Anwalts wird Böhr selbst in Karlsruhe nicht anwesend sein. Was bei dem Verfahren herauskommt, ist noch völlig offen. Weist der Bundesgerichtshof die Revisionen zurück, sind die Mainzer Urteile gegen Böhr und Frigge rechtkräftig. Möglich ist auch, dass die Urteile ganz oder teilweise aufgehoben werden. Dann müsste im Extremfall der Prozess noch einmal komplett neu aufgerollt werden. Nach Angaben von Verteidiger Thomas Hermes könnte der BGH Böhr aber auch freisprechen. "Es ist alles offen, es wird spannend", meint der Anwalt aus der Essener Kanzlei Holthoff-Pförtner, die auch Ex-Kanzler Helmut Kohl vertritt.

Über dem ehemaligen CDU-Landesvorsitzenden und Bundesvize Christoph Böhr schwebt aber noch ein weiteres Damoklesschwert. Sollte das Untreueurteil gegen ihn rechtkräftig werden, will die Landes-CDU prüfen, ob sie den 60-Jährigen Böhr in Regress nehmen kann. Laut Generalsekretär Patrick Schnieder muss die Partei das tun, um sich nicht selbst strafbar zu machen. Es geht um hohe Summen: 386.000 Euro mussten an den Landtag und 1,2 Millionen Euro als Strafe an den Bundestag gezahlt werden. Extra


Was macht eigentlich Christoph Böhr heute? Kurz gesagt das, was ihn interessiert und wahrscheinlich schon immer mehr interessiert hat als die Politik. Der nach wie vor in Trier lebende Böhr führt längst ein Leben weitgehend abseits von Kameras, Scheinwerfern und Mikrofonen. Der promovierte Philosoph schreibt Bücher, hält wissenschaftliche Vorträge, ist Gastdozent an Hochschulen, schreibt Berichte und Aufsätze. Erst vor wenigen Tagen erschien in der katholischen Zeitung Tagespost ein längerer Artikel Böhrs über die Rolle Helmut Kohls bei der Wiedervereinigung. Der gläubige Intellektuelle scheint die neue Rolle zu genießen: "Ich habe so viele Jahre Futter für die Berichterstattung geliefert. Gönnen Sie mir bitte eine kleine Pause", sagte er vor zwei Jahren unserer Zeitung. Christoph Böhr hätte wohl auch nichts dagegen, wenn das mediale Interesse an seiner Person ganz erlöschen würde.

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