Aus unserem Archiv: Nürburgring-Affäre: Achterbahnfahrt ins Gefängnis
Koblenz · Ex-Minister Deubel (SPD) muss hinter Gitter und verliert wohl seine Pension. Zum Verhängnis wurden ihm teure Träume am Nürburgring. Ein Beitrag unserer Redaktion vom September 2020.
Es war ein wackliges Luftschloss, das die SPD-geführte Landesregierung im Juli 2009 in der Eifel baute und das später mit aller Wucht zusammenkrachen sollte. Mit Glanz, Gloria und Boris Becker als Botschafter stellte Ex-Ministerpräsident Kurt Beck den Freizeitpark am Nürburgring vor. Der Traum: Hotels, eine Großraumdisco und die schnellste Achterbahn der Welt sollten jährlich Scharen von Touristen in die Eifel locken. Doch ein Finanzcrash überschattete bereits den offiziellen Festakt.
Ein Teil des später insgesamt 330 Millionen Euro teuren Ausbaus, den ein privater Investor zahlen wollte, war geplatzt. Das Land war auf Betrüger reingefallen. Schecks über 100 Millionen US-Dollar waren nicht gedeckt, der echte Kontostand des vermeintlichen Gönners betrug 57 Dollar und 18 Cent, ein angeblich hinter der Firma steckender Milliardär bestritt, je vom Nürburgring-Projekt gehört zu haben. Die Affäre beschäftigte die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz bis ins Jahr 2014, als Beck-Nachfolgerin Malu Dreyer gar das Kabinett umbildete.
Am Dienstag holte der Skandal die Landesregierung erneut ein. Ingolf Deubel, 2009 als Finanzminister zurückgetreten und in der Nürburgring-Affäre wegen Untreue und uneidlicher Falschaussage zu zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, scheiterte mit seiner Revision und muss wohl in Haft. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe diese als unbegründet verworfen, teilte der Leiter der Staatsanwaltschaft Koblenz, Harald Kruse, am Dienstag mit. Wann der 70-Jährige wo hinter Gitter muss, ist noch unklar. „Es wird eine Zeit dauern“, sagte der Koblenzer Oberstaatsanwalt Rolf Wissen.
Der Beschluss des BGH vom 18. August war nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Koblenz am Dienstag bei ihr eingegangen. Nun gehe die Akte zum Landgericht, um den Rechtskraftvermerk zu bekommen, dann wandere sie zur Vollstreckungsabteilung der Staatsanwaltschaft, wo alles geprüft werde, erklärte Wissen. Anschließend bekomme Deubel eine Ladung mit Termin und Ort für seinen Haftantritt. Aus justiznahen Kreisen heißt es, der Ex-Minister könnte für einen offenen Vollzug in Frage kommen. Dann müsste er nur im Gefängnis schlafen, das vielleicht nicht mal das größte Problem des Sozialdemokraten ist.
Denn Deubels Revision hatte ihn nicht nur bisher vor dem Gefängnis bewahrt, sondern auch vorerst den weiteren Bezug seiner Beamtenpension von monatlich etwa 6700 Euro ermöglicht. Mit der Rechtskraft des Urteils wird er sie wohl verlieren. „Das Landesamt für Finanzen wird die notwendigen Schritte einleiten“, sagte eine Sprecherin der Staatskanzlei in Mainz auf Anfrage.
Im letzten Prozess Ende Januar hatte die Vorsitzende Richterin Monika Fay-Thiemann gesagt, ein Verlust seiner Pension wäre für Deubel ein „ganz erheblicher Nachteil“, eine nachversicherte Rente läge aber immer noch über dem Durchschnitt in Deutschland. Beobachter sprechen zugleich von immensen Prozesskosten, die Deubel zahlen müsse. Möglicherweise fordert das Land gar noch Geld zurück. „Im Hinblick auf mögliche Regressansprüche und mögliche Rückforderungen des Darlehens zur Prozesskostenhilfe bleibt der Fortgang des noch abgetrennten Verfahrens abzuwarten“, heißt es aus der Staatskanzlei.
Richterin Fay-Thiemann hatte dem nicht vorbestraften Ex-Minister in ihrem Urteil im Januar zugute gehalten, dass er ohne persönliche Bereicherung Investitionen in der strukturschwachen Eifel habe schaffen wolle. Seine Straftaten mit großem finanziellem Schaden für den Steuerzahler habe er jedoch nur teilweise gestanden. Als Finanzminister und Aufsichtsratschef der Nürburgring GmbH habe Deubel unberechtigte Zahlungen an Berater veranlasst und verschleiert, etwa mit einer vordatierten Rechnung und einem „vollständig fiktiven“ Vertrag. Bei seiner uneidlichen Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss ging es um eine Provision von vier Millionen Euro an Finanzvermittler. Fay-Thiemann hielt Deubel Ende Januar „besonders kriminelle Energie“ und einen „außerordentlich massiven Grad an Pflichtwidrigkeit“ vor. Der rheinland-pfälzische CDU-Generalsekretär Gerd Schreiner sagte: „Das jetzt rechtskräftige Urteil gegen Ingolf Deubel ist der traurige Schlusspunkt der Nürburgringaffäre.“ Menschlich, räumte Schreiner ein, „ist das sehr bedauerlich“.