Fall Laura-Marie: Erst Zeuge, dann Mordverdächtiger

Trier · Ein Stück Seil, das zwischen all dem Müll zu sauber wirkt, eine Aussage, die stutzig macht. Am Donnerstag hat sich vor dem Trierer Landgericht gezeigt, wie aus einem normalen Zeugen im Fall Laura-Marie ein Mordverdächtiger wurde.

Fall Laura-Marie: Erst Zeuge, dann Mordverdächtiger
Foto: Rainer Neubert

Wäre dies eine Krimiserie und nicht ein realer Mordfall, der vor dem Trierer Landgericht verhandelt wird, dann säße dort auf dem Zeugenstuhl die Hauptfigur. Der Kommissar. Markantes Gesicht, schwarzer Anzug, dunkles, gegeltes Haar, ein grün glitzernder Strassstein im linken Ohr: Der Mann, der den Fall gelöst und den mutmaßlichen Mörder gefasst hat. Mit präzisen Worten berichtet er der Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz, wie es dazu kam, dass aus einem ganz normalen Zeugen der Hauptverdächtige wurde. Auch die vom Schmerz gezeichneten Eltern der getöteten Laura-Marie, der Angeklagte und die rund 60 Zuhörer lauschen gebannt.

Wäre dies eine Krimiserie, dann folgte nun eine Rückblende. Es ist Sonntag gegen 16 Uhr, zwei Tage nach der Tat, als die Polizisten den Angeklagten erstmals sprechen. Sie finden ihn in Tarforst, wo er Fußball spielt. Am Samstag war er nicht in der Stadt, da er sich ein Auswärtsspiel von Eintracht Trier ansah.

Zum Trinkspiel überredet

Der blonde 25-Jährige berichtet den Beamten davon, dass er an jenem Freitag, 13. März, bei einem Freund zu Besuch war, und folgende Geschichte ist auch durch Zeugenaussagen gedeckt: Außer ihm waren noch zwei Jungs da - und die 16-jährige Laura-Marie. Sie spielten ein Trinkspiel: Wer ein Ass zieht, muss ein Gläschen Wodka trinken. Laura wollte erst nicht mitmachen - sie war mit ihrem Handy beschäftigt - ließ sich dann aber doch überreden.

Im Laufe des Abends erhielt sie einen Anruf von ihrem Exfreund. Der wollte etwas besprechen. Die Schülerin entschied also, zu ihm nach Trier-Süd zu fahren. "Der Angeklagte hat gefragt, ob er sie dorthin bringen soll", sagt der Kriminalkommissar. Laura soll erwidert haben, dass es reiche, wenn er sie bis zum Bahnhof begleite.

Kurz vor 23 Uhr verließen die beiden die Wohnung des Freundes und verabredeten, sich fünf Minuten später vor der Haustüre zu treffen - sie wohnten ja direkt nebeneinander. Laura wollte noch eine Busfahrkarte holen und der Angeklagte eine DVD, die er bei seiner Schwester in Trier-Süd schauen wollte. Das jedenfalls erzählte er, kurz bevor er zum Beschuldigten wurde.

"Was hat Ihren Verdacht aufkommen lassen?", will die Richterin wissen. Der Polizist berichtet, dass er stutzig wurde, als der Zeuge sagte, dass er die Zeit vertrödelt habe, als er die DVD holte, und deshalb nicht pünktlich bei Laura-Marie war. Lässt man ein Mädchen nachts draußen stehen? Um 23.04 Uhr schrieb Laura per What's app: "Lass mich nicht hängen!" Der Zeuge berichtete weiter, er habe an einem Verkehrskreisel auf Laura gewartet, sei dann über den dunklen Weg (jenen, auf dem Laura getötet wurde) Richtung Bahnhof, habe das Mädchen nicht getroffen, sei über einen beleuchteten Weg zurückgekehrt, weil er Angst gehabt habe, attackiert zu werden, und habe sich große Sorgen um Laura gemacht. Auf ihre Nachricht antwortete er allerdings nicht. Und eine Sprachnachricht setzte er erst um 23.39 Uhr ab. Aussagen, die für den Ermittler nicht plausibel klangen.

Als er dem Mann sagte, dass er ihn für den Täter halte, brach dieser zusammen und gestand unter Tränen, das Mädchen erstochen zu haben. Am Abend begleitete er die Beamten zu einer Gartenmauer, über die er das Messer geworfen und zu einem Altkleidercontainer, in dem er seine blutverschmierte Kleidung entsorgt hatte. Beides wurde gefunden.

Allerdings bleibt der 25-Jährige dabei, er habe die 16-Jährige im Streit erstochen. Und nicht, weil er eine geplante Vergewaltigung vertuschen wollte.

Der zweite Verhandlungstag zeigt, dass es Beweise gibt, die gegen ihn sprechen: ein Computer, auf dem mehrfach "Vergewaltigung einer 16-Jährigen" gegoogelt wurde - auch am Tag der Tat. Und ein Seil. "Das ist mir ins Auge gesprungen", sagt der Polizist. Denn es war neu und sauber und es wirkte am vermüllten Tatort fehl am Platz.
Ein Gutachten zeigte gestern, dass der Ermittler einen guten Instinkt hatte: Auf dem Seil befindet sich DNA des Angeklagten. Ein Zeuge berichtet zudem, dass dieser ihm gegen 23.10 Uhr - also vor dem Tatzeitpunkt - aus Richtung des Tatorts entgegengelaufen kam. Die Anklage geht daher davon aus, dass er das Seil zuvor am Tatort deponiert hat, um das Mädchen zu fesseln und zu vergewaltigen. Und dass dies auch der Grund ist, warum Laura-Marie auf ihn warten musste. Laut Verteidigung sollte das Seil dazu dienen, die Leiche einzupacken.

"Was passiert ist, kann ich nicht rückgängig machen, aber ich wünschte, es wäre mir nicht passiert", zitiert die Richterin den Angeklagten aus dem Protokoll und betont dabei das Wörtchen mir. Auch der Polizist schildert den Eindruck, der junge Mann habe kein Mitgefühl, sondern Selbstmitleid gezeigt.

Sollte das Gericht ihn des Mordes für schuldig befinden, droht ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe .

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