Fallstricke für die Integration

Trier · Die Unternehmen in der Region suchen dringend gute Nachwuchskräfte. Eine Gesetzeslücke bremst aber motivierte junge Flüchtlinge aus.

Aziz Amiri ist Schreinerlehrling. Sein Chef schwärmt von dem jungen Flüchtling aus Afghanistan in höchsten Tönen. Doch eine Gesetzeslücke gefährdet dieses Musterbeispiel für Integration und die Bemühungen der Handwerkskammer Trier, den Mangel an guten Auszubildenden mit hoch motivierten Flüchtlingen zumindest ein wenig zu verringern.

Denn für Betriebe der Region wird es immer schwerer, passende Auszubildende zu finden. 3914 freie Ausbildungsplätze hatte die Agentur für Arbeit im vergangenen Jahr zum Start des Lehrjahres gezählt. Etwa 300 dieser Plätze waren bis zum Jahresende nicht besetzt. "Die regionalen Arbeitgeber brauchen gutes Nachwuchspersonal, um ihren Fachkräftebedarf zu decken", sagt Heribert Wilhelmi, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Trier. Diese zu finden und fit zu machen, sei eine der größten Herausforderungen.

Industrie- und Handelskammer und Handwerkskammer (HWK) setzen deshalb ihre Hoffnungen auch auf motivierte junge Migranten. Immerhin 52 dieser jungen Menschen haben die Flüchtlingsnetzwerker der HWK im vergangenen Jahr als Praktikanten, für Einstiegsqualifizierungen oder in eine Lehrstelle vermittelt. "Wir sind als Kammern breit unterwegs", sagt Geschäftsführer Carl-Ludwig Centner, "allerdings sind die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen ein Dilemma."

Vor allem die Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Spätsommer 2016 hatte Folgen. Seitdem werden nur noch Flüchtlinge aus offiziell unsicheren Ländern wie Syrien oder Eritrea in die Qualifizierungs- und Betreuungsprogramme der Kammern aufgenommen. Wer aus Afghanistan oder Ägypten kommt, muss seitdem enorm hohe Hürden überwinden, um die Chance auf einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Hat der Flüchtling das geschafft, stürzt ihn eine Gesetzeslücke in eine prekäre Situation. Denn nur wenn der Asylantrag abschließend positiv oder negativ beschieden worden ist, besteht Anspruch auf eine Ausbildungsbeihilfe oder andere soziale Leistungen. Während eines laufenden Verfahrens - in dem sich die Betroffenen in der Regel noch befinden - gibt es kein Geld vom Staat. Vom geringen Gehalt alleine kann aber kaum ein Lehrling leben.

Die Handwerkskammer weiß von Aziz Amiri und mindestens zwei Fällen, in denen dadurch die bislang vorbildliche Integration gefährdet ist. "Es ist desillusionierend, wenn ein hoch motivierter und kompetenter Lehrling deshalb seine Ausbildung abbrechen muss", sagt Carl-Ludwig Centner.

Auf Anfrage des Trierischen Volksfreunds hat das Integrationsministerium Rheinland-Pfalz den Sachverhalt überprüft und bestätigt. Das Land werde sich dafür einsetzen, die "Regelungslücke" zu schließen.Mehr zum Thema

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(red) Welche Zugangsmöglichkeiten und -bedingungen zum Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen bestehen, hängt nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge maßgeblich vom Aufenthaltsstatus ab. Aufenthaltserlaubnis: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entscheidet im Asylverfahren über vier Schutzarten: Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz und Abschiebungsverbot.
Je nach Schutzart erhalten diese Personen eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Dauer von einem bis drei Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung beziehungsweise dem Übergang in einen Daueraufenthalt. Anerkannte dürfen grundsätzlich uneingeschränkt arbeiten und auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen. Ist nur ein Abschiebungsverbot festgestellt worden, entscheidet die Ausländerbehörde im Einzelfall, ob eine Genehmigung für Beschäftigung erteilt wird.
Aufenthaltsgestattung: Das Bundesamt erteilt Asylbewerbern, die sich noch im Asylverfahren befinden, eine Aufenthaltsgestattung. Diese berechtigt sie bis zum Abschluss des Asylverfahrens, in Deutschland zu leben und unter bestimmten Bedingungen zu arbeiten.
Duldung: Personen, die sich nicht mehr im Asylverfahren befinden beziehungsweise einen negativen Bescheid erhalten haben, aber die Abschiebung ausgesetzt wurde, erhalten von der Ausländerbehörde eine "Bescheinigung für die Aussetzung einer Abschiebung", die Duldung. Personen, die eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung besitzen, haben eingeschränkte Zugangsbedingungen zum Arbeitsmarkt.

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