Fassungslosigkeit und die Suche nach den Ursachen für das Desaster

Mainz · Die rheinland-pfälzische Landtagswahl ist für die CDU in einem Debakel geendet. Aus dem geplanten Fest im Kurfürstlichen Schloss wird eine Trauerfeier. Am Kurs der Spitzenkandidatin zweifelt niemand. Noch nicht.

Einer aus dem inneren Zirkel der CDU ist auch anderthalb Stunden, nachdem er die schlechte Botschaft erfahren hat, noch immer völlig fassungslos. "Ich kann es einfach nicht glauben", sagt er, "ein, zwei Prozentpunkte Abstand, na ja, aber gleich vier oder fünf." Der Christdemokrat ist mit seiner Einschätzung an diesem Abend nicht allein. Als um 18 Uhr die erste Prognose über die Bildschirme flimmert, könnte man im unweit des Mainzer Abgeordnetenhauses gelegenen Kurfürstlichen Schloss eine Stecknadel fallen hören, so ruhig ist es. Totenstille, würden Spötter wohl sagen.

Die Verantwortlichen hatten die CDU-Wahlparty noch weniger Tage zuvor kurzerhand vom ersten Stock in den deutlich größeren Eingangsbereich gelegt, weil sich so viele Sympathisanten angemeldet hatten - wohl in Erwartung eines haushohen Siegs der seit einem Vierteljahrhundert auf den harten Oppositionsbänken sitzenden Christdemokraten. Dass es damit wieder nichts werden würde, dämmerte der in ihrer Parteizentrale am Rheinufer ausharrenden CDU-Spitze schon am späten Sonntagnachmittag. Da sickerten die ersten Ergebnisse der Befragungen vor den Wahllokalen durch, die nichts Gutes ahnen ließen. "Dreyer liegt zwei Prozentpunkte vor Klöckner", hieß es, und die Grünen müssten zittern.

Bester Laune und optimistisch

Zu diesem Zeitpunkt füllt sich das Erdgeschoss im Kurfürstlichen Schloss. Die CDU hat ordentlich auffahren lassen. Es gibt ein reichhaltiges kalt-warmes Büfett, dazu Wein, Bier und viel Antialkoholisches. Vermutlich stand den meisten eintrudelnden Gästen später der Sinn eher nach Hochprozentigem. Doch zunächst sind alle noch bester Laune und optimistisch. "Ich hoffe auf einen Wahlsieg und tippe auf ein Ergebnis von 37 zu 34 Prozentpunkten", meint der Bernkastel-Wittlicher Landrat Gregor Eibes, der als einer der ersten prominenten Politiker aus der Region im Schloss eintrifft. "Es ist meine erste Wahlparty bei einer Landtagswahl", sagt der CDU-Politiker, noch nicht wissend, dass es an diesem Abend wenig zu feiern geben wird. Was heißt wenig?

Der Tick zu viel

Um kurz vor halb sechs schweigt es an einigen Tischen im Gewölbesaal herum, dass die Prognosen die CDU im Hintertreffen sehen. Sogleich beginnen die Spekulationen, woran es gelegen haben mag, wenn es am Ende wieder nichts wird mit einem Wahlsieg der CDU. "Das mit dem Wolf gegen die Merkel war der Tick zu viel", kritisiert einer das drei Wochen vor der Wahl von Julia Klöckner und dem baden-württembergischen Spitzenkandidaten Guido Wolf veröffentlichte Papier zur Flüchtlingspolitik.

Als die ersten Zahlen wenig später auf den Großleinwänden zu sehen sind und die Ersten sich wieder gefangen haben, wird an einigen Stehtischen schon nach Ursachen für das Desaster gesucht. "Die Flüchtlingsfrage hat die landespolitischen Themen überlagert", sagt CDU-Fraktionsvize Alexander Licht, "die SPD hat von der Schwäche der Grünen profitiert", meint die Abgeordnete Elfriede Meurer.

Die Spitzenkandidatin Julia Klöckner lässt sich Zeit, bis sie im Schloss erscheint. Da haben die ersten Getreuen die Wahlparty schon wieder verlassen. "Die Chefin muss sich nach so einer Schlappe ja auch erst mal fangen", meint einer, der vorher mit ihr gemeinsam in der Parteizentrale den ersten Schmerz verdaut hat. Beifall brandet auf, "Julia, Julia"-Rufe sind zu hören.

Kritik an der Parteivorsitzenden ist an diesem Abend nirgends zu hören. "Sie muss weitermachen", sagen alle, die nach dem Verbleib Klöckners gefragt werden. Der Cochemer CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Bleser empfiehlt seinen Parteifreunden bereits die Juniorpartnerschaft in der großen Koalition. "Wenn wir die Gelegenheit haben, Verantwortung zu übernehmen, dann sollten wir dies tun."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort