Insolventer Flughafen Stoppt Robert Habeck den Verkauf des Hahn an den russischen Oligarchen?
Lautzenhausen/Trier/Mainz · Um den Flughafen Hahn gibt es einen Vertragspoker. Zwei Käufer sind im Rennen, beide haben bereits die geforderte Kaufsumme, hinterlegt. Wer letztlich den Zuschlag bekommt, liegt auch in den Händen des Bundeswirtschaftsministers.
Falls die Gläubiger der Hahn-Schwestergesellschaften an diesem Dienstag mit dem Daumen nach oben zeigen – wofür nach Lage der Dinge einiges sprechen wird – dann wird der Hunsrückflughafen bald mehrheitlich einem russischen Oligarchen gehören. Der Milliardär Viktor Charitonin (geschätztes Vermögen: über sechs Milliarden Euro) will nach dem Kauf des Nürburgrings vor neun Jahren nun auch den Hahn kaufen. Für mehr als 20 Millionen Euro. Das Geld soll er bereits auf einem sogenannten Anderkonto hinterlegt haben. Offizieller Käufer ist aber nicht Charitonin, sondern die Nürburing Betreibergesellschaft, hinter der der Pharmaunternehmer steht. Dieses hat den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V produziert.
Zweitbieter soll nun Zuschlag für Hahn erhalten
Diese hatte sich bereits im vergangenen Jahr an dem Bieterverfahren für den insolventen Hunsrückflughafen beteiligt, war allerdings als Zweitbietender dem eigens gegründeten Unternehmen Swift Conjoy unterlegen. Letzteres hat bekanntermaßen trotz unterzeichnetem Kaufaltvertrags nicht die geforderte Kaufsumme überwiesen. Der Verkauf des Hahn an Swift Conjoy ist demnach geplatzt.
Dass der Insolvenzverwalter des Airports, Jan Markus Plathner, dann mit den anderen Bietern verhandelt, um auszuloten, ob noch ein Kaufinteresse besteht, ist durchaus verständlich. Plathners Aufgabe ist es, die Ansprüche der Gläubiger zu bedienen. Sprich: Den Flughafen zu einem möglichst guten Preis zu verkaufen, um so einen größtmöglichen Erlös zu erzielen. Welche Pläne ein neuer Investor für den Flughafen hat, ist für den Insolvenzverwalter daher zunächst einmal zweitrangig.
Verkauf des Hahn an russischen Oligarchen wirft Fragen auf
Trotzdem wirft der mögliche Verkauf des Hahn an den russischen Oligarchen Charitonin Fragen auf. Zum einen moralische, zum anderen auch praktische und rechtliche Fragen. Denn der Milliardär gilt als Kreml nahe und steht seit 2018 auf der sogenannten Putin-Liste des US-Finanzministeriums. Auf dieser Liste befinden sich über 200 Namen einflussreicher russischer Politiker und Milliardäre, die im Zusammenhang mit Manipulationsvorwürfen der US-Wahlen 2016 stehen. Zudem sollen sie hinter der Besetzung der Krim durch Russland stehen.
Charitonin soll enge Beziehungen zu dem russischen Industrie- und Handelsminister Denis Manturow. Der Vizeregierungschef galt bislang als Putins Liebling. Kürzlich kam es jedoch vor laufenden Kameras zum Zerwürfnis wegen dessen laut Putin zu zögerlichen Investitionspolitik.
So eng sind die Beziehungen Charitonin in den Kreml
Ein weiterer „zweifelhafter“ Freund und Geschäftspartner von Charitonin ist Roman Abramowitsch, der ehemalige Besitzer des britischen Fußballclubs FC Chelsea. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine steht der Milliardär auf der EU-Sanktionsliste. Sein Vermögen sollte konfisziert und eingefroren werden. Kürzlich wurde bekannt, dass Abramowitsch einen Teil seines Besitzes an seine Töchter überschrieben haben soll.
Charitonin steht, anders als Abramowitsch und andere Oligarchen, nicht auf der Sanktionsliste. Das wiederum sehen einige aus dem Umfeld der Hahn-Beschäftigten durchaus positiv. „Nicht jeder Russe, ist ein böser Russe“, hieß es.
Auch der Rechtsanwalt des Hahn-Betriebsrates, Georg Wohlleben, hat keine Probleme mit einem möglichen Einstieg von Charitonin in den Hahn. Der russische Milliardär habe mit dem Nürburgring durchaus bewiesen, dass er in der Lage sei, ein ehemals insolventes Unternehmen erfolgreich zu führen. Wohlleben sagte aber auch, dass der Verkauf an Charitonin durchaus ein „Geschmäckle“ habe.
Welche konkreten Pläne der Pharmaunternehmer und Autonarr mit dem Hahn hat, ist unklar.
US-Militär nutzt Hahn als Drehscheibe
Falls er den Flugbetrieb weiter aufrechterhalten will, könnte es auf jeden Fall schon bald zu einem Konflikt kommen. Denn die USA nutzen den Hahn weiterhin als Drehscheibe für zivile Militärflüge. Auch ein Teil der amerikanischen Waffenlieferungen für die Ukraine liefen im vergangenen Jahr über den Hunsrück. Regelmäßig werden über den Hahn auch Flüge im Auftrag des US-Transport-Kommandos abgewickelt. Zuletzt startete ein solcher Militärflug nach einer Zwischenlandung im Hunsrück nach Katar.
Der mögliche Kauf des Hahn durch einen Russen sorgt auch international für Aufsehen. der frühere schwedische Ministerpräsident und spätere Außenminister des Landes, Carl Bildt, twitterte: „Wir leben in seltsamen Zeiten.“ Ein Flughafen in Deutschland, der gebaut worden sei, um Cruise-Missiles-Raketen zu lagern, soll an einen russischen Milliardär verkauft werden, schrieb der Politiker und endete damit: „Ist jemand wach?“
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag und frühere CDU-Landesvorsitzende, Julia Klöckner (CDU), kritisierte den geplanten Verkauf des Flughafens an die Nürburgring-Besitzgesellschaft. „Wer in diesen Zeiten als Russe erfolgreich im Pharmageschäft in Russland tätig ist, kann dies nur mit dem Segen (Wladimir) Putins tun. Und dessen Segen verheißt nichts Gutes“, sagte sie unserer Redaktion.
Ein Branchenkenner, der sich nicht offiziell äußern will, sieht das ähnlich. Es sei insbesondere in der heutigen Zeit absurd, dass nach dem Nürburgring nun auch das nächste Vorzeigeprojekt an einen russischen Oligarchen „verscherbelt“ werde. Seiner Meinung nach hat die Nürburgring Betreibergesellschaft ebenso wenig Expertise zum Betreiben von Flugplätzen, wie der weitere potenzielle Käufer, eine Mainzer Immobilieninvestorin, die Firmengruppe Richter. Diese hat ebenfalls einen Kaufvertrag unterzeichnet und den Kaufpreis hinterlegt. Die Entscheidung, wer den endgültigen Zuschlag bekommt, soll laut Plathner erst noch fallen. Doch auch bei diesem Bieter ist unklar, welche Pläne er für den Hahn hat. Investitionen in Flughäfen oder Infrastruktur gehörten bislang aber offenbar nicht zu dem Geschäftsfeld des Mainzer Unternehmens.
Insolvenzverwalter geht auf Nummer sicher
Nach dem gescheiterten Verkauf an Swift Conjoy will sich der Insolvenzverwalter nun im zweiten Anlauf offenbar keinen Patzer mehr erlauben. Mit der Unterzeichnung von gleich zwei Kaufverträgen geht er auf Nummer sicher. Scheitert der Verkauf an die Nürburgring Gesellschaft, dann würde automatisch die Firmengruppe Richter zum Zug kommen.
Denn der Verkauf an Charitonin könnte noch unter dem Vorbehalt des Bundeswirtschaftsministeriums stehen. Falls dieses den Hahn gemäß der Außenwirtschaftsverordnung als kritische Infrastruktur einstufen würde, könnte es den Verkauf untersagen oder mit Bedingungen belegen. Das Ministerium, an dessen Spitze der Grüne Robert Habeck steht, würde dann prüfen, ob eine „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ durch den Verkauf gegeben ist.
Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier blickt man mit Sorge Richtung Hahn. „Für die regionale Wirtschaft und für Rheinland-Pfalz ist es von großer Bedeutung, dass der Flugplatz als solcher erhalten bleibt und seine Aktivitäten weiter ausgebaut werden“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Glockauer unserer Redaktion. Allerdings kenne man nicht die Konzepte der beiden möglichen Investoren und wisse daher auch nicht, wie es auf dem Hahn in Zukunft weitergehen soll.