Fragebogen für ein Ende in Würde

TRIER. Mit ethischen Fallbesprechungen will man im Mutterhaus der Borromäerinnen noch besser auf Situationen reagieren, in denen Patienten in Lebensgefahr schweben. Dabei steht im Vordergrund, welche Behandlung für den Kranken die beste ist - und nicht nur, was medizinisch machbar ist.

Wenn ein Patient leidet, wird Pflegepersonal und Ärzten viel abverlangt. Da ist Einfühlungsvermögen gefragt Foto: TV-Archiv/Marion Maier"Wie wirkt sich die Behandlung auf das Wohlbefinden des Patienten aus?" "Zeigt der Patient Lebenswillen?" "Gibt es Zweifel, ob es richtig ist, dem Patienten die Entscheidung zu überlassen?" Das sind Punkte aus dem Fragebogen, der Ärzten, Pflegern und Seelsorgern im Trierer Mutterhaus im Umgang mit schwer kranken Patienten helfen soll. "Der Arbeitsbogen zur medizin-ethischen Praxis dient nur der Orientierung", sagt Seelsorger Bruder Leo Wittenbecher. "Er wird nicht jedes Mal durchexerziert, aber er gibt wertvolle Anregungen", sagt der Leiter des Ethik-Komitees in dem Trierer Krankenhaus.Die Mitarbeiter gründlich schulen

Das Ethik-Komitee gibt es im Mutterhaus seit September vergangenen Jahres. Es schult die Mitarbeiter und soll den Blick schärfen für Fragen der Ethik im Umgang mit Schwerkranken. Ein Teil der Arbeit ist es, ethische Fallbesprechungen im Haus zu etablieren. Die gibt es seit dem ersten April 2004. Seither wurden 460 Mitarbeiter geschult - etwa die Hälfte der rund 800 Ärzte, Pfleger, Psychologen und Seelsorger, die mit schwer Kranken zu tun haben. In kleinen Gruppen wird in den Schulungen der Blick auf die Frage gelenkt: Was hilft dem Patienten wirklich? Was tun, wenn die Behandlung so eingefahren ist, dass man keine Ziele mehr formulieren kann? Solche Fragen treten hauptsächlich auf, wenn der Patient am Ende des Lebens steht. "Die Medizin ist heute so weit, und es gibt immer mehr Patientenverfügungen. Da sind diese Fragen immens wichtig", sagt Bruder Leo. "Es geht aber nicht um Sterbehilfe", betont Renate Langenbach, Oberärztin in der Palliativstation und Vorsitzende des Trierer Hospizvereins: "Im Gegenteil: Wir haben festgestellt, dass Patienten, die sich in einer Grenzsituation befinden und gut behandelt werden, mehr Lebenswillen entwickeln", sagt die engagierte Ärztin. Wann immer eine Grenzsituation eintritt - der Patient liegt im Sterben, sein Wille ist unklar, oder die Angehörigen wünschen in seinem Sinne keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr -, treffen sich die Betreuer, um zu beraten, wie es weitergehen soll. Etwa einmal pro Woche ist das im Schnitt der Fall. Immer im Vordergrund steht die moralische Intention; darauf achtet ein Moderator. Im Moment ist das entweder Bruder Leo oder Pastoralreferentin Hanna Schneider. "Bei der Fallbesprechung ruht die Verantwortung nicht nur auf den Schultern des Arztes", sagt Hanna Schneider. Mit der Kompetenz mehrerer Betreuer sei es leichter, eine gute Entscheidung zu fällen."Vorreiter in Trier"

Oft stoßen die Menschen, die mit Patienten in Grenzsituationen zu tun haben, selbst an ihre Grenzen. "Wir hatten einen Patienten, der vom Krankheitsbild her weder nach Hause noch in die Reha entlassen werden konnte. Wohin kommt ein solcher Patient? Darüber haben wir beraten", erinnert sich Leo Wagner, Fachpfleger auf der Intensivstation. "Ein anderer Fall war ein dialysepflichtiger Patient, der im Sterben lag. Die Dialyse bereitete ihm Schmerzen, er hatte amputierte Gliedmaßen, war entstellt", erzählt Renate Langenbach. Doch der Schwerkranke wollte weiter dialysiert werden, hatte bis zum Ende Hoffnung. "Obwohl es schwer war, ihn leiden zu sehen, entsprachen wir seinem Wunsch. Er ist glücklich gestorben." Patienten, die Vertrauen haben, Angehörige, die ihre Lieben in guten Händen wissen - das seien wichtige Gründe für Fallbesprechungen, so Bruder Leo. "Wir sind in Trier Vorreiter", betont Bruder Leo, und fügt hinzu: "Der Mehraufwand lohnt sich, denn es werden viele Punkte eindeutig geklärt, so dass danach nicht mehr so oft Absprachen nötig sind." "Irgendwann", ergänzt Hanna Schneider, "gehen die Punkte aus den Besprechungen allen so in Fleisch und Blut über, dass sie immer seltener nötig sind."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort